Im Café der moeglichen Traeume
oder?
Als ich aufstand, war ich ein einziges Angstbündel.
In der gespenstischen Stille der Wohnung schaltete ich das Radio an und ging schnell unter die Dusche, die allerdings nur lauwarm war, weil diese beiden aufgekratzten Morgenmenschen das ganze heiÃe Wasser verbraucht hatten. Ich war immer die Letzte in der Dusche, und in neun von zehn Fällen sah es schlecht für mich aus.
John Lennon schleuderte mir aus dem Radio sein ermutigendes Manifest entgegen.
â¦then they expect you to pick a career
When you canât really function youâre so full of fear
Working Class Hero is something to be.
â¦dann erwarten sie schlieÃlich, dass du einen Beruf ergreifst,
Und wenn du nicht richtig funktionierst, stirbst du vor Angst.
Ein Held der Arbeiterklasse zu sein, das ist schon was.
Nachdem ich eine Kanne Kaffee getrunken hatte, überkam mich plötzlich eine Anwandlung von Stolz: »Es gibt nichts, wovor ich Angst haben müsste. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass man mich wegen Unfähigkeit rausschmeiÃt. »Wie immer kam mir die Stimme meiner GroÃmutter zu Hilfe: »Wenn du Angst hast und niemand da ist, den du um Rat fragen kannst, setz dich hin und rede mit ihr: Sag mir, wer du bist, Angst. Wie heiÃt du, und warum bist du hier? Setz sie vorsichtig in deinen Handteller, schlieÃe die Hand, ohne allzu fest zuzudrücken, grab ein Loch in die Erde, und setze die Angst hinein.«
Mein Balkon ist voll von angsterfüllten Blumentöpfen, aber das Mantra funktioniert.
Nachdem ich tausendfach Schminke und Kleidung kontrolliert hatte, stieg ich aufs Fahrrad und klingelte mit der inneren Gelassenheit eines Buddha Punkt neun an der rot lackierten Tür in einem mit Blumenkübeln vollgestellten Hof. Anna, eine Frau in den DreiÃigern mit kupferroten Locken und Sommersprossen auf der hellen Haut, begrüÃte mich mit einem freundlichen Lächeln und stellte mich dann allen vor. Ein paar Minuten reichten für die Runde, da die Agentur nur sechs Mitarbeiterinnen hatte, die mich alle mit der Begeisterung dessen begrüÃten, der endlich einen Babysitter gefunden hat und nun, nach Monaten der Abstinenz, das Kind abgeben und ins Kino gehen kann.
Das wiederholte »Endlich!!!« lieà meine Ãngste verpuffen, und so schob ich meinen Zeh in die Tür der Arbeitswelt.
14:22 Uhr
Die verlorenen Herzen mit den BlackBerrys stehen alle zusammen auf und zucken noch einmal mit den Schultern, sind aber bereit, wie die Leibwache der Queen in die Nischen der Macht zurückzumarschieren, um einem Paar mit Hund den Platz zu überlassen. Ob sie wohl je ein Praktikum gemacht haben?
Sie wiederum werden sich gefragt haben, wer diese gebeugte, unfrisierte Gestalt ist, die unentwegt in einem Heft herumkritzelt, daher gebe ich mich einfach mal locker und streichele den Hund, der sich zwischen meine Beine gedrängt und den Kopf auf mein Knie gelegt hat.
Arbeit tut gut. Das dachte ich mal, ohne jeden bösen Hintergedanken.
»Frohes Schaffen!«, rufe ich ihnen hinterher. Sofort kommentiert die Heizung meine Heuchelei mit einem metallischen Pfeifen.
»Frohes Schaffen auch Ihnen«, antwortet der mit der besonders protzigen Jacke, der etwas geselliger zu sein scheint.
Reg dich nicht auf, Olivia: »Frohes Schaffen« ist besser als »Einen schönen Tag noch«, und Neid ist nicht gut für die Haut. Daher erkundige ich mich lieber bei dem Pärchen, wie der Hund heiÃt.
»Tim. Hierher. Platz, Tim.«
Man kann einen Hund also nach einer Telefongesellschaft benennen. Prompt brummt mein Handy und bringt entschieden Ãrger zum Ausdruck.
Hallo? Bist du sauer auf mich? Du könntest dich ruhig mal bequemen, mir zu antworten. Ruf mich an, S.
14:24
Sarah hat ihre Gelassenheit definitiv verloren. Ich muss die Aggressivität eindämmen, die ich wie eine Welle auf mich zurollen spüre. Warum ist es eine übermenschliche Anstrengung, Sarah, die alles über mich weiÃ, zu erklären, wieso ich mich mit jeder Stunde stärker in ein Gespenst verwandeln will? Ich schrecke davor zurück, obwohl ihr Insistieren darauf hindeutet, dass sie mittlerweile misstrauisch ist und sich um keinen Preis aus meinen Gedanken und meinem Leben ausschlieÃen lässt, egal was es sein mag, das unseren normalerweise unermüdlichen Plaudereien in die Quere kommt. Was aber, wenn ich mit jemandem zusammen wäre? Was, wenn ich den Mann meiner
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