Im Café der moeglichen Traeume
mich an. Wider jeden Anschein strenge ich mein Hirn an, um irgendetwas zu finden, das mich optimistischer in die Zukunft blicken lässt.
Serendipität. Ich könnte ihnen das Prinzip der Serendipität erläutern. Allerdings haben sie gemerkt, dass ich sie anstarre, und schon weià ich nicht mehr, wie ich überhaupt auf eine solche Idee kommen konnte. Würde ich auch nur den Mund aufmachen, würden sie mich für verrückt erklären. B & P hat mich von der Hölle solcher Leute befreit, auch wenn ich nie so manisch war wie diese Typen, nicht einmal, wenn mir etwas Spaà gemacht hat. Wenn ich nicht durch eine Deadline dazu gezwungen war, habe ich streng darauf geachtet, nicht zu so verrückten Zeiten noch im Büro zu sein wie diese arme Anita, Pressereferentin wie ich, aber noch junior . Da sie offenbar keine richtigen Freunde hatte, setzte sie ganz auf dieses Pferd und blieb immer bis tief in die Nacht. Einmal habe ich sie allerdings dabei ertappt, wie sie bei Google »Kann man zu lieben aufhören« eingab.
Offensichtlich hatte sie sich also doch mal verliebt, und wenn sie so viel arbeitete, wollte sie vielleicht einfach zu lieben aufhören, weil der andere ihre Liebe nicht erwiderte.
Wenn sie Anita mit den krausen Haaren rausschmeiÃen, ist sie selbstmordgefährdet.
Den Ausgang der Google-Recherche habe ich nicht verfolgt, aber wenn sie mich gefragt hätte, hätte ich gesagt: »Man kann nicht einfach mir nichts, dir nichts mit dem Lieben aufhören, nur weil man verlassen wurde, Schätzchen. Das braucht Zeit. Allerdings fordert die Liebe mehr Aufmerksamkeit als die Arbeit, also ändere etwas an deinem Tagesablauf: jeden Morgen eine halbe Stunde joggen, dann Meditation und Yoga, viele Abenteuerfilme, vor allem aber Freunde, Freunde, Freunde. Früher oder später wird die wahre Liebe schon kommen«, und so weiter und so fort. Heute weià ich nicht mehr, ob ich mich derart aufs hohe Ross setzen würde. Heute würde ich vielleicht sagen: »Schätzchen, die besten Dinge geschehen immer, wenn wir sie längst abgeschrieben haben. Tu einfach, als wär nichts, beuge dich über deine elende Arbeit, und wähne dich glücklich, dass sie dir noch ein wenig finanzielle Unabhängigkeit schenkt.«
Innerhalb weniger Stunden bin ich hart geworden.
Besser etwas zu essen bestellen.
Laut Ziehharmonika kosten ein Toast und ein Mineralwasser fünf Euro fünfzig, die ich nicht habe, und ich kann Manuel gegenüber nicht vollkommen ehrlich sein. Wird er Verständnis haben, wenn ich Leitungswasser bestelle?
»Gerne, Signorina. Ein Toast mit Schinken und Käse und ein schönes Glas Wasser.«
Während ich warte, lenke ich mich von meinem iPhone und ihren BlackBerrys ab, indem ich die Liste in meinem Notizbuch fortführe.
BB 1 und BB 2 sprechen derweil über participatory economics und sind von der Nutte Emma zu jenen übergangen, »die noch zu Hause wohnen, nicht arbeiten und den Eltern die Haare vom Kopf fressen«.
Wie gerne würde ich da mitreden! Meine Urteile waren vorschnell, vielleicht sind sie mit von der Partie und suchen nach Lösungen für ein neues Leben.
Manuel stellt mir den Teller mit dem Toast hin und gieÃt mir Wasser aus einer Karaffe ein. Er schaut mich an und fragt mich mit einem Unterton, den ich als freundschaftliche Solidarität deute, ob es nun besser gehe. Aber nein, es geht mir nicht besser, mein Freund, aber wie soll ich auf die Schnelle die Verwicklungen und Seelenregungen auf den Punkt bringen und bekennen, dass ich zum soundsovielten Opfer der »schlimmsten Wirtschaftskrise, die die westliche Welt je erfasst hat«, geworden bin, dass die Tage des Kapitalismus für meine Person gezählt sind und dass ich auf der Liste, wie ich die Leere nach der Arbeit ausfüllen soll, nicht Kaufoptionen, sondern ausschlieÃlich drastische Kostensenkungen erwäge?
In deiner unendlichen Güte würdest du mich eine Alarmistin nennen und mich daran erinnern (ich weiÃ, dass du das tun würdest, lieber Manuel), dass wir, wenn wir negative Gedanken denken, groÃe und kleine Missgeschicke förmlich anziehen, was uns in der Summe all unserer Hoffnungen beraubt. Vielleicht ist die Wall Street ein Tempel für dich, und wie käme ich dazu, über deine Religion den Schatten des Zweifels zu legen.
Bevor ich eine glaubhafte Antwort stammeln kann, vergehen endlose verlegene
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