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Im Café der moeglichen Traeume

Im Café der moeglichen Traeume

Titel: Im Café der moeglichen Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paola Calvetti
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Nähe der Fleischabteilung, hatte man eine Art Foto-Set aufgebaut. Eine Menschenmenge hatte sich versammelt, und die Kandidaten saßen auf Plastikstühlen und warteten geduldig darauf, dass sie an die Reihe kamen. Sie tranken Tee aus Plastikbechern, die von jungen Mädchen verteilt wurden.
    Diego flüchtete durch einen Seitengang zu einer soeben geöffneten Kasse, wo er seine Einkäufe zu gefährlichen Gebirgen auftürmte.

15:08 Uhr
    Am liebsten würde ich das Fenster einen Spalt breit öffnen, meinen Arm herausstrecken und eine Bresche in die Wand aus Schneeflocken schlagen, die immer dichter herabrieseln. Das Fensterbrett ist leer. Selbst die Vögel haben, vollgestopft mit Körnern, ihre Mittagspause beendet, als hätten sie sich von einem Gewicht befreit und könnten nun wieder in die Welt hinausfliegen. Ich sollte mir ein Beispiel an ihnen nehmen.
    PAFF . Der Kopf ist voll mit lärmenden Gedanken. Die Mahnung der Vögel verhallt ungehört.
    Es gibt Momente, in denen es wunderbar ist, die Welt aus dem Fenster zu betrachten und – von allem losgelöst – einfach dort stehen zu bleiben, während sich die Leute in den ungemütlichen Räumen von Breston & Partners abrackern. Glaube ich zumindest.
    Ich habe ein hieb- und stichfestes Alibi und die Vitalität eines Faultiers, und auch unten ist jetzt feierliche Ruhe eingekehrt. Manuel wischt die Theke ab, spült die Tassen, stapelt sie scheppernd auf, öffnet und schließt den Kühlschrank hinter sich und denkt bestimmt daran, dass in ein paar Stunden die Ferien beginnen. Glatzkopf muss hinten sein, da ich ihn von hier nicht sehe. Zu gerne würde ich wissen, wie es in den Hinterzimmern der Bar aussieht, wer die CD s wechselt (oder die Vinylschallplatten) und die Musik auswählt, die hier oben wie ein schützender Mantel aus Klängen ankommt und entschieden von der Einrichtung absticht. Glatzkopf, der DJ der Bar Tabacchi, mag die Beatles, nicht die Rolling Stones, und er muss eine Affinität zu Worten haben, da er abwechselnd Tom Waits, Bob Dylan und französische Chansons auflegt, die auch meine Großmutter geliebt hat. Dank der Musik kann ich die Welt fernhalten und bekomme allmählich das Gefühl – sei es wegen des Schnees, der alles dämpft, sei es, dass ich dieses zeitenthobene Nest immer mehr liebgewinne –, dass hier alles von Zauberhand geschieht. Mein Hirn ist in Aufruhr, und trotzdem bin ich langsamer geworden. Eine Egoistin, die ihren Ängsten ins Gesicht zu schauen wagt: Das, was passiert ist, Olivia, kann jedem passieren, davon bricht die Welt nicht zusammen, irgendeine Lösung gibt es immer, du hast ganz besondere, einzigartige Begabungen, heute kann deine Wiedergeburt beginnen, und was du bis heute Morgen warst, schließt nicht aus, dass du morgen etwas ganz anderes sein wirst. Und außerdem: »Um Freude am Leben zu haben, braucht man Zeit«, wie es in einem Film heißt. Das klingt doch schon ganz gut – und wenn ich mich an meine eigenen weisen Sprüche halte, werde ich in einer Woche bereits Selbstfindungskurse anbieten können.
    Ich habe kaum Zeit, die selige Ruhe zu genießen, als plötzlich Gäste kommen. Mist. Ein Mann und eine Frau. Um die fünfzig, eventuell jünger. Sie schreitet energisch voran in ihren Stiefeln mit den eckigen Absätzen, die Lippen von einem gierigen Schönheitschirurgen überkorrigiert, die Augenbrauen wie schwarze Klingen. Er hat einen Ziegenbart, graue Strähnen auf dem Kopf und Tränensäcke unter den Augen. Sein ganzes Auftreten ist geduckt, als stünde er mit dem Rücken zur Wand. Das perfekte Motiv für meine neue Serie »Paare in der Bar Tabacchi«.
    Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten, Olivia. Konzentriere dich auf deine Listen, komm schon.
    Ich äuge nur noch ein wenig hinüber.
    Sie stöhnt, wirft den klatschnassen Schirm auf den Boden, zieht den Biberpelz aus, nimmt den Pillbox-Hut ab – das Ding erinnert an jenen, den Jacky Kennedy in Dallas getragen hatte, und ist definitiv nicht geeignet für den heutigen Tag – und legt ihn auf einen Stuhl. Drunter trägt sie ein auberginefarbenes Jerseykleid. Als sie ihren Begleiter fragt, was sie denn bestellen sollen, strahlt sie Eiseskälte aus. Ich schwöre. Nicht zufällig hält er einen Sicherheitsabstand ein, setzt sich auf den Stuhl gegenüber und konzentriert sich mit bebenden

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