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Im Café der moeglichen Traeume

Im Café der moeglichen Traeume

Titel: Im Café der moeglichen Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paola Calvetti
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fühlen.
    Manuel steigt die Treppe hinunter, blickt sich aber vorher noch einmal zu mir um und verdreht unauffällig die Augen zur Decke. Seine Arbeit verlangt Geduld, Anpassungsfähigkeit und Diskretion, daher kann er es sich nicht leisten, Gästen gegenüber Kommentare über andere Gäste abzugeben, auch wenn ihm das gelegentlich schwerzufallen scheint. Der Liebhaber, der vielleicht ihr Ehemann, vielleicht aber auch nur ein Verwandter ist, führt die Tasse zum Mund und bricht dann mit einer tiefen Stimme, die nichts mit seiner finsteren Miene zu tun hat, sein Schweigen: »Lisa, die Handschuhe sind wunderbar.«
    Offenbar ist er so daran gewöhnt, seine Meinungen für sich zu behalten, dass er selbst überrascht ist, was für eine Geschwätzigkeit das Koffein in ihm auslöst.
    Unfreiwillig werde ich Zeuge einseitiger Verhandlungen, in denen sie das große Wort führt, während er aus taktischen Gründen zustimmt, um sie zum Schweigen zu bringen. Ich amüsiere mich köstlich, obwohl ich eigentlich damit aufhören sollte, meine Nächsten zu belauern, und lieber nach perfekten Herzen Ausschau halten sollte.
    Die gibt es aber nicht, Großmutter. Immer gibt es irgendeine Macke, die das Ganze beeinträchtigt. Lass dir außerdem gesagt sein, zumal du dich heute ohnehin vornehm zurückhältst: Du misst den Gefühlen einen zu großen Stellenwert bei. Ich war noch nicht einmal in der Grundschule, da hast du schon mit wissender Miene verkündet: »Eines Tages wirst du dich verlieben, Olivia, und dann werden wir noch was erleben.«
    Bislang habe ich nichts dergleichen erlebt, aber trotz meiner gelegentlichen Zweifel daran, überhaupt mit Wesen männlichen Geschlechts auf Augenhöhe und zu wechselseitiger Zufriedenheit verkehren zu können, bin ich immer noch ein Stück weit bereit, dem Wort »Gefühle« eine positive Bedeutung beizumessen.
    Gegen jede Evidenz.
    Auf dem Tischchen in meiner Schaluppe leuchtet das Display meines iPhones auf und erinnert mich daran, dass ich ungelesene SMS habe. Sarah schreibt:
    Wo auch immer du bist und was auch immer deine Gründe sind, mich keiner Antwort für würdig zu befinden, solltest du wissen: 1) ich muss mit dir reden, 2) es dauert nur ein paar Sekunden, 3) das passt überhaupt nicht zu dir, 4) ich mag dich trotzdem, auch wenn ich mir ernsthaft Sorgen mache, was ich bei dem vielen � rger im Moment eigentlich gar nicht gebrauchen kann. S.
    15:01
    Sarah weiß, wie sie Schuldgefühle in mir wecken kann. Wie soll ich ihr aber in Kürze das Geheimnis einer Dachkammer erklären, wo Quittungen poetische Botschaften übermitteln, Kellner BWL studieren, meine Existenz in Zeitlupe vor meinen Augen abläuft und eine neue Polaroidserie initiiert wurde. Dass außerdem:
    1)ich nicht lügen kann,
    2)es schwachsinnig ist, Lügen zu verbreiten, die sich schon in wenigen Stunden als Lügen erweisen,
    3)ich Abkürzungen und Kürzel hasse und eine asketische Entscheidung nicht leicht zu treffen ist.
    Dass ich unglücklich bin, wird sie am gebrochenen Tonfall meiner Antwort erkennen und an der unübersehbaren Eile meiner Worte.
    Bin in einer Bar gelandet. Ruf dich bald an. Olli
15:17
    Geschafft.
    Ich möchte noch schreiben, wie gern ich sie mag, weil sie immer für mich da ist und weil sie die Einzige ist, von der ich denke, dass wir auch im Alter noch Freundinnen sein werden, aber mitten in diesen unerwünschten Kitsch platzt bereits die nächste Frage.
    In einer Bar, um was zu tun, um diese Zeit?
    PRESSEREFERENTIN BEI HASTINGS & SONS
    Neunundzwanzig ist ein gefährliches Alter.
    Es kommt dir vor, als wärst du für einige Dinge bereits zu alt, für andere aber noch zu jung. Mit neunundzwanzig haben Sarah und ich bei derselben Agentur gearbeitet, weil ich eine Schwangerschaftsvertretung übernommen habe. Natürlich hatte ich darauf gehofft, fest angestellt zu werden, und dachte, wenn du dich von deiner besten Seite zeigst, wirst du schon irgendjemandem auffallen, aber während das Großraumbüro der Grafiker, Webmaster und Copywriter wuchs und wuchs, war die Abteilung Kommunikation längst gesättigt. Als die junge Mama also unvernünftigerweise nach nur neun Monaten an ihren Schreibtisch zurückkehrte, gertenschlank und voller Energie, konnte ich mir lediglich ein paar Projektverträge für Heimarbeiten sichern.
    Die beste aller nur denkbaren

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