Im Dienst des Seelenfängers
schmeichelhafteren Bezeichnungen. Sein Name war in einigen erlauschten Unterhaltungen zwischen Raven und dem Hauptmann aufgetaucht. Zouad war das von Raven vorgesehene fünfte Opfer? Dann mußte der Hinker selbst hinter Ravens Unglück gestanden haben. Sonderbarer und sonderbarer. Ebenso auch mehr und mehr beängstigend. Der Hinker ist niemand, mit dem man sich anlegen sollte. Der Mann des Hinkers brüllte: »Ich verlange, daß dieser Mann unter Arrest gestellt wird.« Der Hauptmann sah ihn an. »Er hat zwei meiner Männer ermordet.« Die Leichen lagen offen zur Schau. Raven schwieg. Elmo meldete sich ganz entgegen seiner Art ungefragt zu Wort: »Sie haben das Kind vergewaltigt. Ihre Vorstellung von Befriedung.« Der Hauptmann fixierte sein Gegenüber. Der Mann errötete. Selbst der allerschwärzeste Schuft wird sich schämen, wenn er seine Handlungen vor dem, der ihn erwischt, nicht recht- fertigen kann. Der Hauptmann schnappte: »Croaker?« »Wir haben einen toten Rebellen gefunden, Hauptmann. Die Anzeichen deuten darauf hin,
daß diese Sache hier losging, bevor er sich einmischte.«
Er fragte den Schweinehund: »Diese Leute sind Untertanen der Lady? Und stehen unter ih- rem Schutz?« Vor anderen Gerichten hätte man diesen Punkt debattieren können, aber im Augenblick blieb er unbestritten. Da sich der Mann nicht verteidigte, gestand er eine morali- sche Schuld ein.
»Ihr kotzt mich an.« Der Hauptmann verwendete seine sanfte, gefahrenschwangere Stimme. »Verschwindet von hier. Lauft mir nicht mehr über den Weg. Falls Ihr es doch tut, überlasse ich Euch der Gnade meines Freundes.« Der Mann taumelte davon. Der Hauptmann wandte sich zu Raven. »Du mutterloser Schwachkopf. Hast du die leiseste Vorstellung, was du gerade getan hast?« Müde erwiderte Raven: »Wahrscheinlich eine bessere als du, Hauptmann. Aber ich würde es wieder tun.«
»Und du fragst dich noch, warum wir uns nicht beeilt haben, dich bei uns aufzunehmen?« Er wechselte das Thema. »Was wirst du eigentlich mit diesen Leuten machen, o edler Retter?« Diese Frage war Raven noch gar nicht eingefallen. Welcher Art die Umwälzung in seinem Leben auch gewesen sein j mochte, ihretwegen lebte er nun vollends in der Gegenwart. Er war von der Vergangenheit getrieben und hilflos vor der Zukunft. »Ich bin für sie verantwort- lich, nicht wahr?«
Der Hauptmann gab es auf, noch zum Hinker aufschließen zu wollen. Operationen auf eige- ne Faust schienen nunmehr das geringere Übel zu sein. Die Auswirkungen zeigten sich vier Tage später. Wir hatten gerade unsere erste wichtige Schlacht beendet und eine Rebellenstreitmacht zer- schlagen, die zweimal so stark gewesen war wie wir. Es war nicht schwierig gewesen. Es wa- ren grüne Jungens, und unsere Zauberer waren hilfreich. Nicht viele entkamen uns. Das Schlachtfeld war unser. Die Männer plünderten die Toten aus. Elmo, ich, der Haupt- mann und ein paar andere standen in einer Gruppe herum und freuten uns. Einauge und Go- blin feierten auf ihre unnachahmliche Weise und schmähten einander durch die Münder von Leichen.
Plötzlich versteifte Goblin sich. Seine Augen rollten nach oben. Ein Winseln entfloh seinen Lippen und wurde immer höher. Er brach zusammen. Einauge war einen Schritt vor mir bei ihm. Er klapste ihn auf die Wangen. Seine übliche Feindseligkeit hatte sich in Luft aufgelöst. »Mach Platz!« knurrte ich.
Bevor ich kaum mehr tun konnte als seinen Puls zu überprüfen, erwachte Goblin. »Seelen- fänger«, murmelte er. »Hat Verbindung aufgenommen.«
In diesem Augenblick war ich froh, daß ich nicht über Goblins magische Begabung verfüg-
te. Einen der Unterworfenen im Kopf zu haben schien mir eine schlimmere Schändung zu sein als Vergewaltigung. »Hauptmann«, rief ich. »Seelenfänger.« Ich blieb in der Nähe. Der Hauptmann kam herangelaufen. Er läuft nie, es sei denn, wir stehen im Kampf. »Was gibt es?«
Goblin seufzte. Er schlug die Augen auf. »Jetzt ist er weg.« Seine Haut und seine Haare trof- fen vor Schweiß. Er war aschfahl. Er begann zu zittern. »Weg?« fragte der Hauptmann. »Was zur Hölle ist hier los?« Wir machten es Goblin ein wenig bequem. »Der Hinker ist zur Lady gegangen, anstatt uns entgegenzukommen. Zwischen Seelenfänger und ihm besteht böses Blut. Er glaubt, daß wir hierhergekommen sind, um seinen Einfluß auszuhöhlen. Er versuchte, den Spieß umzudrehen. Aber Seelenfänger steht seit Beryll in hoher Gunst, ganz im Gegensatz zum Hinker, der so häufig versagt
Weitere Kostenlose Bücher