Im Dienst ihrer Majestat
sie wieder einmal sehen. Sie hatte ihm drei nichtssagende Postkarten aus einem Sanatorium in Davos geschrieben. Bond hatte ihr jedesmal geantwortet - seine Briefe wurden in Amerika aufgegeben -, ihr Mut zugesprochen und versichert, daß er sie bald besuchen würde. Und was dann? Bond war von Selbstmitleid erfüllt. Er zerdrückte seine Zigarette im Aschenbecher und schlug die Tür des Büros hinter sich zu.
Es war sieben Uhr. Bond beschloß, zunächst seinen Koffer zu packen, zwei doppelte Wodkas zu konsumieren, eine große Portion Rühreier zu essen, dann noch einige Wodkas zu trinken, ein Schlafmittel zu schlucken und leicht angesäuselt ins Bett zu gehen.
Ermutigt durch die Aussicht auf diese Selbstanästhesie, verbannte er für diesen Abend alle weiteren Gedanken an seine Aufgabe.
8
Mit steifem Hut, zusammengerolltem Regenschirm und der ordentlich gefalteten »Times« unter dem Arm kam sich Bond ziemlich lächerlich vor. Man hatte ihn aus Respekt vor seinem Titel im Londoner Flughafen in den Warteraum für prominente Persönlichkeiten geführt. Gestärkt durch einen doppelten Cognac mit Ginger Ale, stand er etwas abseits von den übrigen und versuchte, sich wie
ein echter Baronet zu fühlen.
Dann sagte er sich, daß der richtige Sir Hilary Bray vielleicht gerade jetzt im schottischen Hochland in einer Schlucht einen erlegten Eber mit bloßen Händen ausnahm und sich gar nicht als Baronet gebärdete! Er mußte den in jedem Engländer steckenden Snobismus loswerden und aufhören, den Aristokraten zu spielen! Bond warf die »Times«, die er als Abzeichen seiner Würde herumgetragen hatte, auf einen Tisch und bestellte noch einen Cognac.
Während die Caravelle ruhig dahinflog, dachte er an das bevorstehende Treffen, das die Züricher Anwälte in allen Einzelheiten vorbereitet hatten. Sir Hilary würde am Flughafen von der Sekretärin des Comte de Bleuville abgeholt werden. Wie würde Blofeld aussehen? Ob er sein Äußeres sehr verändert hatte? Wahrscheinlich, sonst hätte sich der Fuchs die Meute nicht so lange vom Leib halten können.
Am Swissair-Schalter in Kloten wartete eine Frau. Sobald Bond durch die Schranke kam, trat sie auf ihn zu und fragte: »Sir Hilary Bray?«
»Ja.«
»Ich bin Irma Bunt, die Privatsekretärin des Herrn Grafen. Ich hoffe, Sie hatten einen guten Flug.«
Sie sah wie eine sonnenverbrannte Gefängniswärterin aus: ein viereckiges brutales Gesicht und harte gelbe Augen. Ihr Lächeln war kalt und humorlos. Das braune, graumelierte Haar unter der gelben Skimütze war zu einem straffen Knoten zusammengedreht. Der stämmige, gedrungene Körper steckte in unkleidsamen Skihosen und einer grauen Windjacke, in die auf der linken Brust ein großes rotes G mit einer Krone darüber eingestickt war. Irma, aber leider nicht la Douce, dachte Bond.
»Haben Sie Ihren Gepäckschein? Kommen Sie bitte mit. Erst der Paß. Hier entlang.«
Bond folgte ihr zur Paßkontrolle und dann zur Zollabfertigung. Er bemerkte, daß sie einem Mann mit einer Aktenmappe unter dem Arm zunickte, der sofort in eine Telefonzelle ging.
»Sprechen Sie Französisch?« fragte sie.
»Gerade so viel, wie ich für meine Arbeit brauche.« Ein Gepäckträger brachte seinen Koffer zu einem schwarzen Mercedes 300. Neben dem Chauffeur saß der Mann, der telefoniert hatte. Sie fuhren in Richtung Stadt. Nach einigen hundert Metern bog der Wagen in eine Seitenstraße ein, an der ein Schild stand: »Benutzung verboten! Nur für Eigentümer und Personal von Privatflugzeugen!«
Der Wagen steuerte zu den Hangars links vom Hauptgebäude und hielt neben einem hellgelben Alouette-Hubschrauber, dessen Rumpf ein rotes G mit der
Krone zierte.
»Sind Sie schon einmal mit einem Hubschrauber geflogen? . . . Nein? Es ist sehr angenehm. Man hat einen wunderbaren Blick auf die Alpen.« Fräulein Bunt stieg vor ihm die Aluminiumleiter hinauf. »Passen Sie auf Ihren Kopf auf, bitte!« Bonds Koffer wurde vom Chauffeur heraufgereicht.
Es war ein luxuriöser Sechssitzer mit roter Lederpolsterung. Der Pilot hob den Daumen, das Bodenpersonal zog die Bremsblöcke weg, und die Maschine löste sich dröhnend vom Boden.
Irma Bunt saß auf der anderen Seite des Ganges, der Mann mit der Aktentasche hatte sich in die »Neue Zürcher Zeitung« vertieft. Bond erkundigte sich laut, um das Rattern des Motors zu übertönen: »Wohin fliegen wir?«
Sie tat, als höre sie nicht. Er wiederholte die Frage.
»In die Alpen . . . in die Hochalpen«, schrie sie
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