Im Dienste der Comtesse
muss mit ihr sprechen“, wiederholte Daniel.
Saint-André schien nachzudenken. „Kommen Sie mit in mein Appartement“, sagte er schließlich.
„Ist sie dort?“
„Nein, sie ist in ihrer eigenen Wohnung. Suzanne wird ihr ausrichten, dass Sie hier sind.“
Mélusines Zofe senkte widerstrebend die Muskete. „Kehren Sie ihm bloß nicht den Rücken zu“, warnte sie Saint-André, als sie an ihm vorbei die Treppe hinaufstieg.
„Gute Idee – nach Ihnen, Monsieur“, forderte der Marquis Daniel höflich auf.
„Wie lange sind Sie schon hier?“, erkundigte sich Daniel.
„Die Comtesse hat freundlicherweise vor ein paar Tagen das Appartement in der ersten Etage an mich vermietet. Ich habe es bislang nicht geschafft, es zu möblieren“, gestand er, als er Daniel die Tür zum Hauptsalon aufhielt.
Sofort bemerkte Daniel einen großen, dunklen Fleck auf dem Fußboden. „Ist der Diener bei dem Kampf verletzt worden?“
„Nein. Er war dem Comte mehr als gewachsen.“
Daniel nickte, und als er sich umdrehte, trat in diesem Moment Suzanne in das Zimmer.
„Madame lässt Ihnen ausrichten, dass sie Sie beide im blauen Salon erwartet.“
Mélusine war bei Morgengrauen in Pierces Armen aus einem Traum erwacht, in dem die Sonne unentwegt schien und Kanarienvögel fröhlich herumflogen. Die durch den Traum heraufbeschworene Stimmung und ihr Entschluss, in Pierces Gegenwart nicht zu weinen, gaben ihr die Kraft, die Trennung einigermaßen ruhig zu überstehen. Noch einmal versprach er ihr, wiederzukommen, wenn es ihm möglich sei. Doch sie unterbrach ihn mitten in seinen Beteuerungen. Sie wollte nicht, dass er wegen eines Versprechens, das er in einer angespannten Situation gegeben hatte, nach Frankreich zurückkehrte. Er sollte nur wiederkommen, wenn er das wirklich und wahrhaftig wollte.
Nachdem er gegangen war, hatte sie die Erkenntnis, dass sie ihn vielleicht nie wiedersehen würde, mit aller Macht getroffen. Tränen flossen ihr wie Bäche übers Gesicht. Es dauerte eine geraume Weile, bis sie sich wieder beruhigte, doch irgendwann stand sie auf, kühlte ihre Augen mit kaltem Wasser und zog sich an. Was auch immer in der Zukunft geschehen würde – in den letzten Tagen hatte Pierce ihr die glücklichsten Momente ihres Lebens geschenkt. Sie tröstete sich damit, dass er einen Weg finden würde, wenn er denn wirklich den Wunsch hatte, zu ihr zurückzukehren.
Später wollte sie in ihrem Atelier arbeiten, aber noch saß sie im blauen Salon und dachte an jede Einzelheit ihrer Zeit mit Pierce zurück. Mitten in ihre Träumereien hinein verkündete Suzanne Daniels Ankunft. Mélusine ordnete ihre Röcke und versuchte, gelassen zu wirken, als Daniel und Saint-André eintraten.
„Guten Morgen, Madame.“ Daniel sprach wie immer seine Wünsche in einem sachlichen Ton aus. Aber sie wusste, er hatte ihre geröteten Augen bemerkt, denn er presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen.
Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Bitte, nehmen Sie beide Platz“, lud sie die zwei Männer ein. „Suzanne sagt, Vater ist noch in Versailles?“
„Das ist richtig“, erwiderte Daniel.
„Ich fahre nicht mit Ihnen nach Bordeaux.“ Mélusine hob trotzig das Kinn.
Daniel sah von ihr zu Saint-André. „Wo ist Dumont?“
„Er hatte etwas Dringendes zu erledigen“, erklärte der Marquis. „Während seiner Abwesenheit hat er mir die Aufgabe übertragen, die Comtesse zu beschützen.“
„Der Diener hat Sie beauftragt?“, staunte Daniel. „Die Welt ist tatsächlich eine andere geworden.“
Mélusine hielt es für klüger, nicht auf diese Bemerkung einzugehen. „Sie sind hier, um mit mir nach Bordeaux zu reisen, nicht wahr?“
Daniel zögerte und blickte zu Saint-André. „Irgendwo müssen Sie hingehen, Madame“, meinte er schließlich. „Wenn Sie nicht nach Bordeaux wollen, bringe ich Sie eben woandershin.“
„Ich …“ Sie starrte ihn verdutzt an. „Woandershin?“, wiederholte sie unsicher. „Sie meinen, Sie bringen mich irgendwohin, ohne Vater zu sagen, wo ich bin?“
„Ich habe schon einmal bei einem Auftrag Ihres Vaters versagt“, erwiderte Daniel. „Das war, als ich es nicht schaffte, Sie zu überreden, erneut mit nach Bordeaux zu kommen. Wenn ich jetzt wieder meinen Auftrag nicht erfülle, schickt er beim nächsten Mal einen anderen. Das wäre schlecht für Sie. Daher …“ Er zuckte die Achseln. „Wenn Sie also nicht nach Bordeaux wollen, müssen wir eben woandershin. Sie wollten schon immer die
Weitere Kostenlose Bücher