Im Dienste der Comtesse
Statuen in Rom oder Florenz sehen. Wenn Sie möchten, fahren wir dorthin.“
Mélusine war fassungslos.„Wenn Sie an ihm Verrat üben, machen Sie sich ihn zum Feind“, flüsterte sie.
Daniel nickte und zuckte abermals die Achseln, als wäre ihm das gleichgültig.
„Aber Sie haben ihm siebenundzwanzig Jahre treu gedient!“
„Nein, Madame, ich stand siebenundzwanzig Jahre lang in seinen Diensten“, korrigierte Daniel.
„Es gibt andere Möglichkeiten, mit Fournier fertig zu werden, die die Comtesse nicht dazu zwingen, ihr Haus verlassen zu müssen“, wandte Saint-André ein.
„Nein, die gibt es nicht“, widersprach Daniel unverblümt. „Jedenfalls nicht auf legalem Weg. Er kann sehr rachsüchtig werden, wenn man ihm in die Quere kommt. Es ist am besten, Madame sicher aus seiner Reichweite zu schaffen, ehe man etwas gegen ihn unternimmt.“
„Noch vor wenigen Tagen wollten Sie mich nach Bordeaux bringen, damit ich mir dort aus freien Stücken einen Mann in meinem Alter zum Heiraten suche.“ Mélusine staunte noch immer über Daniels überraschendes Angebot.
„Sie lehnten das strikt ab“, erinnerte er sie. „Deshalb bringe ich Sie jetzt stattdessen nach Florenz. Sagen Sie nicht, dort wollten Sie nicht hin, weil ich weiß, dass Sie es wünschen.“
Mélusine schüttelte verwirrt den Kopf. Schon seit Jahren hatte sie den Verdacht, dass Daniel hinter seiner gleichgültigen äußeren Fassade nur wenig Respekt vor ihrem Vater hatte. Diesem war das sicher nicht aufgefallen, weil er viel zu arrogant war, um sich eingehender mit seiner Umgebung zu befassen. Aber sie selbst hatte nie so recht verstanden, warum Daniel in seinen Diensten blieb. „Ich habe Ihnen schon immer alles Mögliche zugetraut, aber ich hätte niemals einen so radikalen Vorschlag von Ihnen erwartet.“
Ein merkwürdiger Ausdruck überzog kurz sein Gesicht, aber er sagte nur: „Ich habe den Debatten des Dritten Standes zugehört.“
„Ihre Auflehnung gegen Ihren Herrn wurde angeregt durch die des Volks gegen den König?“, fragte Saint-André.
„So könnte man das sagen“, bestätigte Daniel. Doch Mélusine begriff sofort, das dahinter mehr stecken musste.
Plötzlich fiel ihr etwas ein, und Verzweiflung machte sich in ihr breit. Sie verstand besser als Saint-André, dass Daniel in Bezug auf ihren Vater recht hatte. Wenn sie sich weiter über seine Wünsche hinwegsetzen wollte, war es das Klügste, sich seinem Einfluss zu entziehen. Aber wenn sie sich vor ihrem Vater versteckte, dann auch vor Pierce. Wie sollte er sie jemals finden, wenn sie bei seiner Rückkehr nicht mehr im Haus an der Place Vendôme war? Falls er zurückkam. Sie wollte fest daran glauben, dass er das tun würde. Und dann musste sie an einem Ort sein, wo er sie treffen konnte.
„Ich kann nicht fort von hier“, flüsterte sie und presste die Finger gegen ihre Schläfen. „Ich muss hierbleiben.“
„Das geht nicht“, betonte Daniel.
„Comtesse, ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um Sie zu beschützen“, versicherte Saint-André. „Aber es ist wahrscheinlich sicherer für Sie, Paris und sogar Frankreich zu verlassen, aus Gründen, die nichts mit der Bedrohung zu tun haben, die von Ihrem Vater für Sie ausgeht.“
Mélusine hörte kaum, was er sagte. In ihren Gedanken sah sie Pierce vor sich, der durch ihr leeres Haus lief und keine Ahnung hatte, wo sie sich aufhielt. Würde er sich Sorgen machen? Oder wäre er vielleicht verzweifelt, dachte, sie hätte kein Interesse mehr an ihm?
Sie konnte Paris nicht verlassen. Hier wurzelten alle ihre Träume und Hoffnungen für die Zukunft.
„Madame? Madame! “
Sie kehrte in die Gegenwart zurück und merkte, dass beide Männer sie besorgt ansahen. Vage erinnerte sie sich an das Letzte, was Saint-André gesagt hatte. „Warum wäre es fern von Paris sicherer für mich?“, fragte sie fast gleichgültig. „Wegen der Unruhen neulich? Aber der König hat doch seinen Frieden mit Paris geschlossen.“
„Einer seiner Brüder und viele Mitglieder des Hofes sind bereits ins Exil gegangen, weil sie ihn nicht mehr tolerieren. Paris, ja Frankreich, ist eher auf dem Weg in einen Bürgerkrieg als in den Frieden“, erklärte Saint-André.
„Bürgerkrieg?“ Sie war vorübergehend abgelenkt von ihren eigenen Sorgen. „Sind Sie sicher?“
„Sicher bin ich mir nicht, aber es ist sehr wahrscheinlich.“ Saint-André wirkte bedrückt.„Denn nicht alle Verbündeten des Königs werden ihn im Stich lassen,
Weitere Kostenlose Bücher