Im Dienste der Comtesse
nie vermutet, Sie könnten …“ – sie sah sich um und senkte die Stimme – „… ein Schmuggler sein.“
„Das freut mich zu hören.“ Er lächelte.
Sie versuchte, das Rätsel Saint-André zu lösen, um sich von ihrer Beklommenheit wegen des Wiedersehens mit Pierce abzulenken. „Vielleicht liegt es daran, dass alle vorgegeben haben, etwas anderes zu sein, als sie tatsächlich sind. Séraphin wollte kultiviert und mondän wirken, aber im Grunde ist er das nicht im Entferntesten. Pierce versuchte wie ein unscheinbarer Diener aufzutreten, doch in Wirklichkeit … er konnte sich nicht einmal beim Bewerbungsgespräch angemessen höflich und unterwürfig benehmen.“
„Während ich in all meinen Rollen gleichbleibend höflich und unscheinbar auftrete“, ergänzte Saint-André.
„Nein!“ Mélusine war entsetzt, wie er ihre Worte auslegte, doch dann sah sie voller Erleichterung die Belustigung in seinem Blick. „Aber Sie sind ein ruhiger, zuvorkommender Mann, der es gewohnt ist, nachzudenken. Und ich vermute, so bleiben Sie auch, selbst wenn Sie mitten in einem waghalsigen Abenteuer stecken. Das ist sehr klug, denn so bleiben Sie unerkannt, obwohl Ihre Gegenspieler der Ansicht sind, Sie genau einschätzen zu können.“
„Hm“, meinte Saint-André. „Ich freue mich, dass Sie eine so hohe Meinung von mir und meinen Manieren haben.“
„Es sind tatsächlich gute Manieren, denn sie entspringen Ihrer Rücksichtnahme auf andere und sollen nicht dazu dienen, die Aufmerksamkeit auf sich selbst zu ziehen“, erklärte sie ernsthaft. Er sollte nicht denken, sie machte sich über ihn lustig. „Während meiner Ehe habe ich mich bei den wenigsten Leuten wohlgefühlt, die ich kennenlernte. Bei Ihnen jedoch habe ich mich stets entspannt. Das ist ein Anzeichen von wahrhaft guten Manieren – und großer Freundlichkeit.“
„Ich danke Ihnen.“
Sie warf ihm einen kurzen Blick zu und blickte dann den über ihnen fliegenden Möwen nach. „Monsieur, ich muss Sie etwas fragen …“ Sie verlor den Mut, weiterzusprechen. „Ach nichts, es ist nicht wichtig.“
„Sie wollen wissen, ob ich unter gewissen Umständen bereit gewesen wäre, Bertiers Wunsch zu erfüllen?“, fragte er sanft.
Nicht einmal die frische Brise konnte ihre glühenden Wangen kühlen, aber sie wollte es wissen. „Sie waren sein bester Freund. Und Sie müssen gewusst haben, dass Séraphin ein schlechter Mensch ist. Sie können aber auch nicht gewollt haben, dass er Bertiers Erbschaft antrat.“
„Das wollte ich tatsächlich nicht. Am Tag nach meinem Gespräch mit Bertier waren wir alle ziemlich durcheinander. Ich verließ ihn, sobald ich konnte, weil ich so wütend auf ihn war. Ich wollte nicht mit ihm streiten, solange er in so reizbarer Laune war, aber es kränkte mich, dass er so wenig Rücksicht auf mein Ehrgefühl nahm.“ Saint-André lächelte traurig. „Ich gestehe, meine erste Reaktion war vollkommen selbstsüchtig. Mir war nicht bewusst, dass Sie alles mitangehört hatten, und ich ging auch davon aus, er würde Ihnen nie von dem Gespräch erzählen, daher fühlte ich mich vor allem beleidigt. Bis zum Abend hatte ich mich jedoch beruhigt und konnte klarer denken.“ Er sah sie eindringlich an. „Glauben Sie, ich hätte es tun können, Madame?“
„Ich … ich glaube … Wahrscheinlich hätten Sie mich zu alt für Kinder mit einem zweiten Ehemann gefunden, wäre Bertier irgendwann eines natürlichen Todes gestorben“, sagte sie mühsam. „Und ich weiß, dass Sie Séraphin nicht mochten. Ich … ach, ich weiß nicht, was ich denken soll.“
„Ich hätte Sie niemals verführt“, betonte er ernsthaft. „Darauf gebe ich Ihnen mein Ehrenwort. Ich dachte damals lange und gründlich nach, und mir schien, die Angelegenheit sei gar nicht so einfach, wie ich zuerst angenommen hatte. Wenn Bertier sich beruhigt und an Ihre Empfindungen gedacht hätte – oder daran, was das Beste für die Leute sein würde, die von ihm abhängig waren, seine Pächter, die Dorfbewohner …“
„Séraphin war kein guter Herr“, warf Mélusine ein, als sie sich an die Wut der Dorfbewohner erinnerte, gerade mal acht Monate, nachdem er das Schloss übernommen hatte.
„Nein, das war er nicht. Madame, sosehr ich Bertier geliebt und geachtet habe, er war am glücklichsten, bevor er den Titel von seinem Vater erbte. Es war nicht richtig, dass Sie zu einer Ehe mit einem doppelt so alten Mann gezwungen wurden, der Ihnen keine Kinder schenken konnte
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