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Im Dienste der Comtesse

Im Dienste der Comtesse

Titel: Im Dienste der Comtesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CLAIRE THORNTON
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manche von ihnen werden sich zur Wehr setzen.“
    Mélusine dachte an die Kämpfe, die sie gesehen hatte, an das bereits vergossene Blut und an ihr verzweifeltes Warten auf Pierces Rückkehr von der Bastille. Die Vorstellung, dass aus den Unruhen ein Krieg entstehen konnte, war grauenvoll. Wenigstens war Pierce dieses Mal nicht in Gefahr, denn es würde ein Krieg unter Franzosen sein, und er war Engländer.
    Sie schlug die Hände vor den Mund, als sich plötzlich ein Gedanke in ihrem Kopf breitmachte. Als Daniel etwas sagen wollte, winkte sie ab. Sie musste über die möglichen Konsequenzen ihres Einfalls nachdenken. Je mehr dieser sich zu einem ausgeklügelten Plan entwickelte, desto schneller klopfte ihr Herz vor Aufregung. Da war wieder Hoffnung, aber auch die Furcht, weil sie sich ins Ungewisse vorwagen würde.
    „Nun gut“, sagte sie endlich und ließ die Hände in den Schoß sinken. „Wenn ich Paris verlassen muss, dann ist das eben so. Daniel, Sie dürfen mich nach London bringen.“
    Während die beiden Männer sie immer noch verblüfft ansahen, sprang sie bereits auf und eilte nach unten mit dem Befehl, sofort Monsieur Barrière ins Haus holen zu lassen. Jetzt, da sie einen Entschluss gefasst hatte, wollte sie keine Zeit mehr vergeuden und ihr Vorhaben in die Tat umsetzen.
    Im Eiltempo bereiteten sie sich auf die Abreise vor, und schon am selben Nachmittag verließen sie Paris und begaben sich auf den Weg nach Boulogne. Nach seiner anfänglichen Überraschung betrachtete Daniel die Wahl ihres Ziels vollkommen nüchtern. „London liegt näher als Florenz, und wir müssen nicht die Alpen überqueren“, stellte er fest und machte sich danach mit gewohnter Tüchtigkeit an die Vorkehrungen.
    Es waren hundertfünfzig Meilen bis Boulogne, und Mélusine war klar, dass Pierces Vorsprung immer größer sein würde. Sie wollte zwar nicht zu weit hinter ihm sein, aber sie versuchte auch nicht, ihn einzuholen – und daher übernachteten sie auf dieser Wegstrecke zweimal. Daniel und Saint-André wollten sie gelegentlich über Pierce ausfragen, doch sie bekamen stets nur knappste Informationen zu hören. In der zweiten Nacht, als sie dreißig Meilen vor der Küste die Pferde wechselten, erinnerte sich ein Stallbursche an Pierce. Zu dem Zeitpunkt hatte er einen Vorsprung von über vierundzwanzig Stunden. Doch als sie in Boulogne eintrafen, entdeckte sie, dass dieser auf die Hälfte geschrumpft war, da das Wetter das Auslaufen seines Postschiffs verzögert hatte. Da er zum Warten gezwungen war, musste dies seine Nervosität und Verzweiflung noch gesteigert haben. Aber Mélusine war doch froh, dass er ihr nun weniger als einen Tag voraus war.
    Sie segelten bei Nacht, und schon vor Morgengrauen befand sich Mélusine wieder an Deck. Sie wollte mitverfolgen, wenn Englands Südküste in Sicht kam. Saint-André stand neben ihr an der Reling. Sie hatte gewollt, dass er in Paris blieb und sich wie versprochen dort nach dem Erpresser umsah. Er hatte jedoch genauso hartnäckig darauf bestanden, sie nach England zu begleiten.
    „Die ersten Nachforschungen sind bereits veranlasst“, hatte er gesagt. „Sobald Sie in London gut untergebracht sind, kann ich innerhalb von ein, zwei Tagen wieder zurück in Frankreich sein. Vielleicht ist es hilfreich, die neuesten Nachrichten aus London zu kennen, ehe ich zurückfahre.“
    Das sah Mélusine ein, aber die neuesten Nachrichten zu erfahren, bedeutete, Pierce wiederzusehen und zu sprechen. Natürlich wollte sie beides, aber sie war sich nicht ganz sicher, wie ihre Wiederbegegnung verlaufen würde. In Paris hatte sie den Eindruck vermeiden wollen, sie würde sich verzweifelt an ihn klammern – ihm innerhalb weniger Stunden nach seiner Abreise nach England nachzujagen, konnte einen gegenteiligen Eindruck bewirken. Vielleicht fühlte er sich dann eingeengt und belastet, und das wollte sie auf gar keinen Fall.
    Der Himmel war perlgrau. Eine kalte Meeresbrise wehte ihr das Haar ins Gesicht, und sie konnte Salz auf ihren Lippen schmecken. Sie warf Saint-André einen Seitenblick zu. In seiner Zeit als Schmuggler musste er viele solcher Tagesanbrüche miterlebt haben. Als sie ihn kennengelernt hatte, wäre sie nie auf die Idee gekommen, er könnte einen so ausgefallenen, abenteuerlichen Charakterzug haben.
    „Dass Séraphin gefährlich ist, habe ich immer schon gewusst. Und auch als ich Pierce begegnete, war mir klar, dass er ein anderer war als der, für den er sich ausgab. Aber ich hätte

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