Im Dienste der Comtesse
?“
„Am Ludgate Hill“, ergänzte Saint-André.
„Großer Gott!“ Pierce hob Mélusine kurzerhand hoch und trug sie ins Arbeitszimmer. Saint-André folgte ihnen.
„Ich werde Erfrischungen für Ihre Gäste vorbereiten“, verkündete der Butler steif.
„Tun Sie das.“ Pierce war hin und her gerissen. Einerseits sehnte er sich danach, Mélusine zu küssen, andererseits wollte er mehr über Jean-Baptiste erfahren.
„Was hat er gesagt?“, fragte sie.
„Er bringt etwas zu essen und zu trinken. Sprechen Sie bitte Französisch vor unseren Gästen, Higgins“, fügte er an den Butler gerichtet hinzu.
„Wie Sie wünschen, Mylord“, wechselte der Bedienstete gewandt die Sprache.
„Er kann mich verstehen!“ Mélusine war sichtlich erleichtert. „Ich hatte schon befürchtet, mich allein auf Saint-André als Dolmetscher verlassen zu müssen. Daniel spricht nur Seefahrerenglisch. Für Stallburschen reicht das, aber nicht in einem Salon. Ich denke, auch deinem maître d’hôtel würde das nicht gefallen.“
„Er ist ein Butler“, verbesserte Pierce. Und dann küsste er sie.
Mélusine erwiderte seinen Kuss, aber nicht so stürmisch wie sonst. Nach kurzer Zeit entzog sie sich Pierce. „Das gehört sich nicht, ich muss Sir Henry begrüßen“, meinte sie verlegen.
„Berichte uns erst von Jean-Baptiste“, bat Pierce. Er und La Motte mussten schnellstmöglich wissen, was es mit diesem Mann auf sich hatte. Zugleich brauchte er Zeit, um sein inneres Gleichgewicht wiederzufinden. Mélusine war in London, in seinen Armen!
„Nein, das ist unhöflich.“ Sie löste sich aus Pierces Umarmung und knickste anmutig vor La Motte. „Guten Tag, Monsieur. Nun, also … Wir waren auf dem Weg zur Bank. Unterwegs entdeckte ich Jean-Baptiste. Sofort sprang ich aus der Kutsche und verfolgte ihn …“
„Wie bitte?“, rief Pierce. „Bist du von Sinnen? Du hättest dich verletzen können!“
„Sie stand gerade still“,erwiderte sie ungeduldig.„Es herrschte so viel Verkehr, dass wir nicht vorankamen. Jedenfalls durfte ich Jean-Baptiste nicht aus den Augen verlieren, er könnte ja von Nutzen sein.“
„In der Tat, wir brauchen ihn“, sagte La Motte. „Bitte, fahren Sie fort, Madame.“
„Ich folgte ihm in den Innenhof eines Wirtshauses. Saint-André und Daniel kamen nach. Erst verstanden sie nicht, was da vor sich ging. Ich sagte zu Saint-André, dass Jean-Baptiste uns nicht sehen dürfte, da er uns wiedererkannt hätte. Bei Daniel lag die Sache jedoch anders, ihm war er nur ein paarmal flüchtig begegnet. Daher beschlossen wir, dass er Jean-Baptiste weiterverfolgen sollte. Als Daniel zurückkehrte, erzählte er, Jean-Baptiste hätte einen Platz in der Postkutsche reserviert, die heute Abend um halb acht von London nach Chippenham fährt.“ Sie verstummte, um Luft zu holen, danach lächelte sie zufrieden über ihre Enthüllungen. Plötzlich ließ sie aber die Schultern sinken. „Wahrscheinlich wissen Sie das alles bereits.“
„Nein“, erwiderte La Motte. „Niemand hat Jean-Baptiste mehr gesehen seit dem Tag, als der ursprüngliche Erpresserbrief abgeliefert wurde.“
„Er hat sein Aussehen verändert.“ Ihre Zuversicht wuchs wieder. „Zuerst hätte ich ihn fast nicht erkannt, obwohl er ganz nah an der Kutsche vorbeiging. Aber irgendetwas kam mir seltsam an ihm vor, und so behielt ich ihn im Auge. Als er dann vor einem Pferd erschrak und zur Seite sprang, wusste ich sofort, wer dieser Mann war.“
„Wie sieht er jetzt aus?“, wollte La Motte wissen.
„Wie ein Buchhalter mittleren Alters“, beschrieb Mélusine ihren früheren Diener. „Seine Augenbrauen sind fast grau, und sein Bauchansatz ist vorgetäuscht. Außerdem zieht er die Mundwinkel nach unten – ungefähr so.“ Sie machte es ihnen vor.„Dass die Augenbrauen und der Bauch nicht echt waren, habe ich erst gemerkt, als er zur Seite sprang.“
„Wenn er so ganz anders aussieht, wie kannst du dann so sicher sein, dass es sich wirklich um Jean-Baptiste handelt?“, fragte Pierce.
„Saint-André stellte mir auch diese Frage, aber ich habe ihn an seinen Bewegungen erkannt“, erklärte Mélusine. „Zwei Jahre lang hatte ich ihn dauernd in meiner Nähe. Natürlich sind Zweifel angebracht, bis ich Gelegenheit habe, ihn etwas länger zu beobachten. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er es war.“
„Sicher genug, um Daniel und mir einen Todesschrecken einzujagen, als sie einfach die Kutsche verließ und ihn verfolgte“, bemerkte
Weitere Kostenlose Bücher