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Im Dienste der Comtesse

Im Dienste der Comtesse

Titel: Im Dienste der Comtesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CLAIRE THORNTON
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hinter ihr stand, konnte Pierce ihr Gesicht nicht beobachten, aber er sah am Heben und Senken ihrer Brust, dass sie tief durchatmete. Wieder verkrampften sich ihre Finger um das Messer, doch als sie zu sprechen anfing, klang ihre Stimme ruhig und gelassen.
    „Warum behaupten Sie, ich hätte einen Geliebten?“, wollte sie wissen.
    „Das ist doch kein Geheimnis“, erklärte Sabine. „Nur um wen es sich handelt, das ist noch ein Rätsel, meine Liebe.“
    „Verzeihen Sie, nachdem ich so lange Zeit nicht in Paris weilte, war mir gar nicht bewusst, von welch großem Interesse meine Privatangelegenheiten für andere sind.“
    „Von sehr großem Interesse sogar“, versicherte Sabine. „Ohne diese lästigen Ereignisse in Versailles wäre der Name Ihres Geliebten sicher längst bekannt. Bertier war für viele ein Held.“
    „Bertier? Madame, wollen Sie damit etwa andeuten, ich hätte meinen Mann betrogen?“ Mélusines Tonfall war jetzt schneidend. „Das ist eine Lüge. Ich war ihm immer treu. Niemals habe ich mein Ehegelübde gebrochen.“
    „Sie spielen weiterhin die Tugendhafte. Dabei ist Ihr Gemahl mit einem einzigen Schwerstreich getötet worden, das weiß ganz Paris. Wer außer einem Edelmann verfügte wohl über das Geschick, Bertier auf so elegante Weise umzubringen? Es kann nur ein Duell gewesen sein – und worum sonst könnten sie sich schon duelliert haben, wenn nicht um Ihre Gunst?“
    „Bertier starb nicht bei einem Duell“, widersprach Mélusine. „Er wurde im Bois de Boulogne von Wegelagerern überfallen. Ein Polizeiinspektor brachte seine Leiche nach Hause. Sie sind das Opfer von Gerüchten geworden, die jeder Grundlage entbehren, Madame.“
    „Meinen Sie?“ Sabines Augen glitzerten. „Vielleicht ist ja an den Stadtgesprächen doch etwas Wahres dran und die Geschichte von den Straßenräubern weniger zutreffend, als Ihnen lieb ist.“
    Trotz seines anhaltenden Verdachts, dass Mélusine La Motte erpresste, straffte Pierce sich jetzt unwillkürlich, um sie vor diesen ungeheuren Beleidigungen zu beschützen. Es verletzte seine gesamten Prinzipien, tatenlos miterleben zu müssen, wie eine Dame so unhöflich behandelt wurde. Aber er war hier, um Nachforschungen über sie anzustellen, nicht um sie zu verteidigen.
    Ein flüchtiger Blick in die Runde verriet ihm, dass Amélie, die Gastgeberin, ausgesprochen unglücklich über die Vorgänge an ihrer Tafel wirkte, aber sie besaß eindeutig nicht die innere Stärke und die Persönlichkeit, um einzugreifen. Ihr Mann wiederum verfolgte das Ganze mit unverhohlenem Entzücken. Der Marquis de Chaumont machte ein missbilligendes Gesicht, dennoch schien er nicht minder interessiert als der Comte de La Fontaine. Niemand hier hatte die Absicht, irgendetwas zu unternehmen.
    Es kostete Pierce ungewohnte Beherrschung, aber seine Miene blieb unbewegt. Er war fest entschlossen, die Aufmerksamkeit nicht auf sich zu ziehen, denn ein Diener, der seiner Herrin zu Hilfe kam, schürte die Gerüchte eher noch.
    „Mein Vater hat mit dem Polizeiinspektor gesprochen“, sagte Mélusine.
    Pierce war verblüfft und ertappte sich voller Unbehagen dabei, dass er stolz auf ihr kühles, unerschrockenes Auftreten war. Er konnte es sich nicht leisten, sein Wahrnehmungsvermögen durch ihre Anziehungskraft trüben zu lassen.
    „Ihr wohlhabender Vater“, ergänzte Sabine vielsagend. Die Unterstellung, Mélusines Vater könnte die Polizei bestochen haben, war unmissverständlich. „Sie haben sicher Bertiers Leiche gesehen – unversehrt und ohne äußerliche Anzeichen der tödlichen Verletzung unter seiner Kleidung. Wäre er Straßenräubern in die Hände gefallen, wäre er voller Schnittwunden, Abschürfungen und Schmutz gewesen. Nein, er starb an einem einzigen, sauberen Schwertstreich. Meine Anerkennung, Madame, ich hatte keine Ahnung, dass Sie imstande wären, sich einen so geschickten, kräftigen Liebhaber zu angeln, noch dazu einen von solcher Kaltblütigkeit.“
    Ein paar Sekunden lang erwiderte Mélusine nichts. Dann legte sie ihre Serviette neben ihren Teller und griff nach ihren Handschuhen. Die gesamte Runde verfolgte mit absolutem Schweigen, wie sie sie langsam anzog. Diese Geste war beredter als jedes Wort, das sie hätte sagen können.
    Pierce zog ihren Stuhl zurück, als sie sich erhob. „Ich bitte um Verzeihung, Madame, Monsieur“, sagte sie ausschließlich an ihre Gastgeber gewandt. „Ich bedauere, aber ich muss jetzt gehen.“
    Mélusine zitterte so sehr, dass sie

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