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Im Dienste der Comtesse

Im Dienste der Comtesse

Titel: Im Dienste der Comtesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CLAIRE THORNTON
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Mühe hatte, in die Kutsche zu steigen. Pierre legte ihr die Hand unter den Ellenbogen, um sie zu stützen.
    „Ach, nun steigen Sie schon mit ein“, rief sie aus, als sie sah, dass er seinen Platz draußen einnehmen wollte.
    „Madame?“
    „Was spielt das noch für eine Rolle? Paris glaubt, ich hätte meinen Liebhaber zum Mord an meinem Mann angestiftet! Wen interessiert es da noch, wenn ich Sie in meine Kutsche einsteigen lasse?“
    „Vielleicht jemanden, der mehr Wert auf Etikette als auf Moral legt?“, gab Pierre sanft zu bedenken, gehorchte aber.
    „O mein Gott!“ Obwohl sie sie gerade erst angezogen hatte, zog Mélusine ihre Handschuhe wieder aus. Sie hob die Hände an ihr Haar, fühlte die Mischung aus Puder und Pomade unter ihren Fingern und spreizte sie angewidert. Als ihr nach und nach wieder alles einfiel, was Sabine gesagt hatte, ballte sie die Hände zu Fäusten. „Ich habe ihn nicht umgebracht!“ Sie bebte immer noch vor Entsetzen über diese Anschuldigung.
    „Das hat sie nicht gesagt …“
    „Sie sagte, mein Liebhaber wäre es gewesen.“ Sie richtete sich so empört auf, dass sie sich den Kopf am Verdeck der Kutsche stieß. „Au!“ Sie zuckte zusammen und kippte zur Seite.
    Pierre fing sie auf und half ihr, sich wieder gerade hinzusetzen. „Beruhigen Sie sich.“
    Sie atmete tief durch und versuchte es. Mélusine war entgangen, dass er nach ihrer Hand gegriffen hatte, aber jetzt, wo sie endlich etwas hatte, woran sie sich festhalten konnte, drückte sie sie krampfhaft.
    „Warum bin ich nur immer so um Worte verlegen?“, flüsterte sie nach einer Weile.
    „Was meinen Sie damit?“
    „Sie hätten gewusst, was Sie sagten sollten. Sie wären in dieser Situation nicht wie vom Donner gerührt aus dem Raum geschlichen.“
    „Es war ein sehr würdevoller und höflicher Abgang“, widersprach Pierre. „Erst hier in der Kutsche haben Sie Ihre vapeurs bekommen.“
    Mélusine entdeckte einen leichten Anflug von Ironie in seiner Stimme und straffte die Schultern. „Das ist nicht lustig.“
    „Aber manchmal wird eine schwierige Situation erträglicher, wenn man sie mit etwas Humor betrachtet.“
    „Sie behaupten also, nicht über mich zu lachen.“
    „Ich glaube, in den meisten Situationen wissen Sie sehr wohl, was Sie sagen müssen“, bemerkte Pierre. „Bei Ihren Gesprächen mit mir sind Sie jedenfalls nie um Worte verlegen.“
    „Alles, was sie von sich gegeben hat, war gelogen“, brauste Mélusine auf. „Ich besaß keinen Geliebten, und ich habe auch jetzt keinen. Also kann er Bertier auch nicht ermordet haben.“
    „Sie hat nicht gesagt, er sei ermordet worden“, korrigierte Pierre. „Sie meinte, man hätte ihn durch einen einzigen Schwertstreich getötet. Weil man nur Adeligen das Privileg einräumt, ein Schwert zu tragen, glaubt sie, er könne nur von einem Adeligen umgebracht worden sein. Vielleicht ist sie noch nicht auf den Gedanken gekommen, dass ein Stammbaum nicht die einzige Voraussetzung ist, wirkungsvoll mit einem Schwert umgehen zu können.“
    „Wenn man die Dinge mit Ironie betrachten sollte“, warf Mélusine ein, „so traut sie mir wenigstens zu, dass ich imstande bin, mir einen Adeligen zum Geliebten zu nehmen und nicht irgendeinen neureichen Bürgerlichen aus Bordeaux.“ Ihre Stimme bebte ein wenig.
    „Die gesamte Argumentation beruhte einzig auf dem Zustand der Leiche Ihres Ehemanns“, gab Pierre sanft zu bedenken. „Madame …?“
    „Ich habe sie nicht gesehen“, flüsterte Mélusine. Sie schloss die Augen und lehnte sich zurück, als sie an jenen grässlichen Morgen zurückdachte. „Ich habe nicht einmal selbst mit dem Polizeiinspektor gesprochen. Alles, was ich weiß,ist das, was mir mein Vater erzählt hat.“
    „Wollten Sie Ihren Gemahl denn nicht sehen …?“
    „Nein!“
    „Hat er sie misshandelt, Madame?“
    Mélusine starrte blicklos nach vorn und erinnerte sich an eines der letzten Dinge, die sie Bertier hatte sagen hören, zwei Nächte vor seinem Tod. „Nein“, murmelte sie. „Ihm war nicht bewusst, dass ich es mitangehört hatte.“
    „Was hatten Sie mitangehört?“ Pierres Tonfall wurde schärfer.
    Plötzlich wurde ihr klar, mit wem sie sich da eigentlich unterhielt. Wenn sie innerlich nicht so aufgewühlt gewesen wäre, hätte sie nicht die Hälfte von alldem einem Mann erzählt, der nicht nur ein Fremder für sie war, sondern auch noch ein Bediensteter. „Ach, das war nicht weiter …“ Sie verstummte, als plötzlich etwas von

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