Im Dienste der Comtesse
Das war der einzige Raum in ihrem Appartement, der angemessen eingerichtet war, um Gäste darin empfangen zu können.
„Sei nicht unverschämt.“
„Unverschämt?“ Sie drehte sich zu ihm um. „Ich habe Ihnen einen guten Abend gewünscht!“
„Ich hatte dir befohlen, mich sofort nach deiner Ankunft in Paris in Versailles aufzusuchen.“ Sein Gesicht glühte rot vor Zorn.
„Ich bitte um Verzeihung. Ich hatte bereits die Einladung von Madame de La Fontaine erhalten. Es wäre unhöflich gewesen, abzusagen.“
„Ungehorsam. Undankbar. Hinaus!“, brüllte er plötzlich Pierre an.
Es tröstete sie insgeheim, dass dieser ihren Vater ignorierte. Stattdessen sah er sie an und wartete stumm auf ihre nächste Anweisung.
„Ich danke Ihnen“, sagte sie. „Sie dürfen sich jetzt zurückziehen.“
Pierre verneigte sich mit unbewegter Miene und verließ den Salon. Er zog die Tür hinter sich zu, aber Mélusine merkte, dass er sie einen winzigen Spalt offen ließ. Da ihr Vater halb mit dem Rücken zur Tür stand, fiel es ihm nicht auf. Mélusine wusste nicht recht, ob es sie beruhigte oder ob es ihr peinlich war, dass Pierre sich in Hörweite befand.
„Wie konntest du es wagen, Bordeaux zu verlassen?“, fragte ihr Vater wütend.
„Es ist nicht mein Zuhause.“ Sie hob tapfer das Kinn.
„Du bist dort am besten untergebracht, bis ich für dich eine neue Ehe arrangiert habe.“
„Nein. Ich werde nicht wieder heiraten.“
„Du brauchst einen Ehemann, der dich unter seine Fittiche nimmt. Und nach allem, was ich in dich investiert habe, schuldest du mir einen Enkelsohn.“
„Das möge Gott im Himmel entscheiden, nicht Sie.“ Mélusine packte die Rückenlehne eines Stuhls. Sie hatte ihren Vater nicht gebeten, Platz zu nehmen, sie hatte ihm auch keine Erfrischung angeboten. Er sollte nur so schnell wie möglich wieder verschwinden.
„O doch! Denn es könnte sein, dass du einen Bastard erwartest, ehe ich dir einen neuen Ehemann ausgesucht habe!“
„Wie bitte?“
„Als Witwe kannst du dir den Luxus eines Liebhabers nicht leisten.“
„Ich habe keinen Liebhaber!“ Mélusine war wie vor den Kopf gestoßen, dass ihr Vater ihr so etwas unterstellte. „Das glauben Sie doch nicht ernsthaft.“
„Ganz Paris glaubt das. Du hast vor Bertiers Tod schon zwei Jahre lang hier gelebt. Da hattest du mehr Zeit als genug …“
„Aber ich … ich habe nicht …“ Sie geriet ins Stocken, als sie plötzlich begriff, was ihr Vater damit andeuten wollte. „Sie meinen, Sie hätten weggesehen, wenn ich mein Ehegelübde gebrochen hätte – aber jetzt, wo niemand mehr da ist, den ich hintergehen könnte, machen Sie sich plötzlich Sorgen um meine Tugend?“
„Jedes Kind, das du zur Welt gebracht hättest, wäre ein Erbe von Bertier gewesen. Nun wird es nur ein Bastard.“
Der Raum fing an, sich um Mélusine zu drehen, und sie packte die Stuhllehne noch fester. Sie konnte es nicht ertragen, das zu hören. Konnte nicht ertragen zu hören, dass sie nur als Mittel zum Zweck betrachtet wurde, Erben zu produzieren. Dass sie für ihren Vater sonst keinen anderen Wert hatte.„ Es wird ?“ Ihre Stimme brach. Sie schluckte und zwang sich zum selben unnachgiebigen Tonfall, auf den ihr Vater sich so gut verstand. „Es gibt kein ‚wird‘. Da ist kein Kind, und es kann auch nie ein Kind geben. Ich habe keinen Liebhaber und ich hatte nie einen.“
Ihr Vater hörte gar nicht auf sie.„Du musst auf der Stelle nach Bordeaux zurückkehren“, teilte er ihr mit. „Wenn ich deinen Plan gewusst hätte, ich hätte ihn dir verboten. Ich verhandele bereits wegen einer neuen Ehe für dich, aber wenn dein Ruf Schaden nimmt, gibt es keine Möglichkeiten mehr.“
„Warum? Sie haben mich schon einmal verkauft – ich bin sicher, Sie finden jemanden, der so verzweifelt auf Geld angewiesen ist, dass er bereit ist, mich zu nehmen“, antwortete Mélusine verbittert.
„Es muss der Richtige sein“, meinte ihr Vater. „Ich schicke dir Daniel Blanc, damit er dich zurück nach Bordeaux begleitet. Dieses Haus hier muss wieder vermietet werden. Es ist Geldverschwendung, es leer stehen zu lassen, äußerst unpraktisch.“
„Nein. Das ist mein Haus. Es ist mein Eigentum. Sie haben keinerlei Einfluss darauf, was ich mit meinem Haus anstelle, und Sie haben auch keinerlei Einfluss auf mich. Ich werde tun, was mir beliebt.“
Auf den Wangen ihres Vaters zeichneten sich vor Zorn rote Flecken ab. „Alles, was du hast oder bist, verdankst du
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