Im Dienste der Comtesse
gehabt als an den Feinheiten des englischen Erbrechts.
„Er ist so ein hübscher Junge“, sagte sie beglückt, als sich der Kleine zutraulich auf ihren Schoß setzte. Zu der Zeit hatte sie noch angenommen, selbst bald ein Kind zu bekommen, und sie hatte gehofft, es würde ebenso freundlich und liebevoll werden wie Felix.
„Er wird von seinen älteren Geschwistern maßlos verwöhnt“, berichtete Lady de La Motte. „Bislang scheint ihm das aber noch nicht geschadet zu haben.“
Erst da hatte Mélusine erfahren, dass Sir Henry zwar nicht von Adel, aber der erste Ehemann seiner Frau der Sohn eines … Vicomte war? Mélusine war sich nicht ganz sicher, aber so etwas in der Art hatte Lady de La Motte gesagt. Jedenfalls hatte ihr ältester Sohn den Titel vor ein paar Monaten geerbt. Mélusine konnte sich an seinen Namen nicht mehr erinnern, aber sie wusste noch genau, wie stolz seine Mutter darüber war.
Plötzlich befiel sie eine große Traurigkeit. Das Einzige, was sie sich in ihrer Ehe gewünscht hatte, waren Kinder gewesen, doch die waren ihr versagt geblieben.
Sie hob den Kopf und stellte erstaunt fest, dass sie schon über eine halbe Stunde in der Kapelle gesessen hatte. Die Zeit musste für Pierre doch sicher gereicht haben, um etwas Wissenswertes von den Bediensteten zu erfahren. Sie stand auf und verließ die Kapelle.
Mélusine war noch immer tief in Gedanken versunken, wie sie mehr über Bertiers Tod in Erfahrung bringen konnte, als die Kutsche in den Hof vor ihrem eigenen Haus einfuhr. Pierre öffnete die Kutschentür und wartete darauf, ihr beim Aussteigen behilflich zu sein. Halt suchend legte sie eine Hand auf seinen Arm. Flüchtig war sie abgelenkt durch die harten Muskeln, die sie unter seinem Ärmel fühlen konnte. Doch dann bemerkte sie eine weitere Kutsche. Der Anblick erschreckte sie so sehr, dass sie die letzte Stufe verfehlte und beinahe auf das Pflaster gestürzt wäre. Pierre fing sie gerade noch rechtzeitig auf.
„Vater“, flüsterte sie und sah an Pierre vorbei zu der anderen Kutsche. „Er ist gekommen, um mich nach Bordeaux mitzunehmen.“ Sie sah Pierre an und packte unwillkürlich seine Arme. „Ich werde nicht gehen!“, stieß sie leidenschaftlich hervor. „Ich werde nicht gehen!“
5. KAPITEL
„Das ist allein Ihre Entscheidung, Madame“, sagte Pierre.
„Er glaubt, es wäre seine.“ Mélusine atmete tief durch, um sich etwas zu beruhigen. „Aber es ist meine.“ Sie verstärkte den Druck ihrer Finger um seinen Arm. „Sie sind mein Diener“, konstatierte sie kämpferisch. „Sie werden von mir bezahlt. Sie hören nur auf mich, denken Sie daran. Sie werden keinem Befehl von ihm Folge leisten.“
„Sehr wohl, Madame.“
Trotz ihrer aufkeimenden Panik nahm sie seinen leicht überheblichen Tonfall wahr. Sie sah ihn an. Seine Miene war so ausdruckslos wie immer, aber das Funkeln in seinen grauen Augen war so selbstbewusst, dass es schon fast an Arroganz grenzte. „Sie werden nicht zulassen, dass er mich mitnimmt?“ Das war eine Frage, keine Bitte.
„Wenn Sie nicht nach Bordeaux fahren wollen, dann werden Sie das auch nicht tun“, erwiderte er, als bestände daran nicht der geringste Zweifel.
„Männer sind sich immer so sicher, dass sie alles in den Griff bekommen – bis sich herausstellt, dass sie es doch nicht können“, bemerkte sie kühl.
„Ich kann es gewiss verhindern, dass Sie gegen Ihren Willen nach Bordeaux gebracht werden.“
„Wirklich? Ihre Antwort hätte für mich mehr Gewicht, wenn Sie eingestehen würden, dass es durchaus Bereiche gibt, in denen Sie sich für nicht ganz so kompetent halten.“
„Jeder Mann hat seine Schwächen“, räumte Pierre ein. „Oder besser gesagt, eine weniger gute Eignung für bestimmte Tätigkeiten.“
„Sie geben also zu, dass Sie nicht auf allen Gebieten brillieren?“ Trotz oder vielleicht gerade wegen der Auseinandersetzung, die ihr bevorstand, faszinierte sie seine Antwort. Seinem selbstbewussten Auftreten nach zu urteilen, hatte sie fast mit einer uneingeschränkten Bestätigung seiner Qualitäten gerechnet.
Pierre zog eine Augenbraue hoch. „Aber ja, Madame. Dennoch seien Sie unbesorgt. Im Abwimmeln unerwünschter Besucher bin ich ungeschlagen. Obwohl ich zu bedenken geben möchte, dass es nicht gerade diplomatisch wäre, einen Abgeordneten der Generalstände die Treppe hinunterzustoßen. Ich hoffe daher, dass das Gespräch mit Monsieur Fournier friedlich enden wird.“
„Ich auch“, versicherte
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