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Im Dienste der Comtesse

Im Dienste der Comtesse

Titel: Im Dienste der Comtesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CLAIRE THORNTON
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Pierce gewann den Eindruck, dass es dem Mann hauptsächlich darum ging, Mélusines empfindsames Gemüt zu schonen.
    „Ich weiß, dass sich Madame niemals so unziemlich …“
    „Vater hat kein solches Vertrauen zu mir“, warf sie ein, hielt sich schließlich jedoch die Hand vor den Mund und wandte den Blick ab.
    „Ich kann nichts dazu sagen, wie der Comte ums Leben gekommen ist“, sagte Daniel. „Es gibt keinen Grund, an dem zu zweifeln, was mir damals darüber berichtet wurde. Es gibt aber auch keinen besonderen Grund, es zu glauben.“
    Pierce lächelte fein. „Genau wie der ungläubige Thomas wollen Sie sich erst mit eigenen Augen von etwas überzeugen, ehe Sie sich festlegen“, stellte er fest.
    „Nicht immer“, widersprach Daniel. „Ich brauchte keinen Beweis, um Vertrauen zu Madame zu haben. Aber was den Tod des Comte betrifft …“ Er zuckte die Achseln.
    „Ich muss die Wahrheit herausfinden“, sagte Mélusine.
    „Wozu?“, wandte Daniel ein. „Er ist tot. Warum sollten Sie noch mehr Lebenszeit für ihn verschwenden?“
    Pierce sah Mélusines erstaunten Gesichtsausdruck und fragte sich, ob Daniel je zuvor schon einmal so unverblümt mit ihr gesprochen hatte. Daniel schien ihre Reaktion ebenfalls bemerkt zu haben.
    „Sie haben mich gebeten, mich zu setzen. Das sind Zeiten der Veränderung, Madame. Wenn Sie meine ehrliche Meinung nicht hören wollen, hätten Sie mich nicht darum bitten dürfen.“
    „Aber das habe ich getan, und ich tue es immer noch“, stellte sie klar. „Mir war jedoch nicht bekannt, dass Sie eine so schlechte Meinung vom Comte hatten.“
    „In seiner Eigenschaft als Mann hatte ich gar keine von ihm. Als passender Ehemann für Sie …“
    „Ich werde nicht nach Bordeaux zurückkehren“, verkündete Mélusine.
    „Es wäre aber sicherer für Sie“, beharrte Daniel. „Madame, dürfte ich Sie unter vier Augen sprechen?“
    Pierce wartete, bis sie ihm zunickte, ehe er aufstand. Sie hatte so fest darauf bestanden, dass er von ihrem Vater keine Befehle entgegennahm, da hielt er es für taktvoller, nicht sofort auf die Bitte eines Bediensteten von Raoul Fournier zu reagieren.
    Er verließ den Salon, blieb aber in der Nähe der Tür. Er glaubte zwar nicht, dass Daniel seine Abwesenheit ausnutzen und Mélusine aus dem Haus schleppen würde, aber er hatte ihr versprochen, dafür zu sorgen, dass sie nicht gegen ihren Willen fortgebracht wurde. Er hatte nicht vor, weniger wachsam zu sein, nur weil Daniel ihr wohlgesonnen schien.
    Vor allem aber auch deshalb nicht, weil er sich mittlerweile fast sicher war, dass Mélusine nicht hinter der Erpressung von La Motte steckte. Laut Laurette war Jean-Baptiste noch Monate nach Mélusines Abreise im Hôtel de Gilocourt geblieben, und das Dienstmädchen hatte keinen Grund zu lügen. Dazu passte Laurettes Vermutung, Mélusine hätte ihren vorherigen Diener nicht gemocht, zu seiner eigenen Beobachtung, dass sie nicht über ihn sprechen wollte – und erst recht zu ihrer Angespanntheit, als er sie zum ersten Mal frisiert hatte. Pierce wusste zwar, dass sich Menschen, die sich nicht mochten oder sogar fürchteten, zu einer Verschwörung zusammentun konnten. Aber das, was er bislang von Mélusines Persönlichkeit kennengelernt hatte, konnte er damit nicht in Verbindung bringen .
    Sie war nicht die Erpresserin. Er hätte sich nicht so erleichtert fühlen dürfen, denn dadurch war seine Aufgabe sogar noch schwerer geworden. Trotzdem war er geradezu lächerlich froh, dass sie nicht mehr verdächtig war. Séraphin de Gilocourt, nach Bertiers Tod der neue Herr von Jean-Baptiste, war nun zum Hauptverdächtigen geworden.
    Pierce blieb in der Nähe der Salontür, um sofort in der Nähe zu sein, wenn Mélusine in Not war. Gleichzeitig überlegte er seinen nächsten Schritt auf der Jagd nach La Mottes Erpresser.
    „Madame, gehen Sie nach Bordeaux zurück“, wiederholte Daniel, als er mit Mélusine allein war. „Gehen Sie jetzt, solange Ihr Vater noch mit den Generalständen beschäftigt ist. Suchen Sie sich einen jungen Ehemann. Einen Ihrer eigenen Wahl.“
    „Ich will keinen neuen Ehemann.“
    „Sie werden erst dann von den Einmischungen Ihres Vaters verschont sein, wenn Sie wieder verheiratet sind. Finden Sie jemanden, der stark genug ist, ihm die Stirn zu bieten.“
    „Mit einem mindestens zweihundert Jahre alten Stammbaum?“ Mélusine konnte nicht glauben, was er da sagte.
    „Nein.“ Mit einer Handbewegung fegte er ihren Einwand beiseite.

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