Im Dienste Der Koenigin
der erdfarbene, verblichene Stoff die Kinder vor den Augen der Angreifer verbarg.
»Es können nicht viele sein, Madame«, flüsterte Céleste, als sie durch eine Lücke zwischen den Wandbrettern nach draußen gelugt hatte. »Ich kann bisher nur zwei Personen ausmachen.«
»Mit zweien können wir fertig werden, denn die Überraschung ist auf unserer Seite. Die Kerle glauben, sie würden uns im Schlaf übertölpeln. Nur schade, dass unsere Musketiere nicht da sind«, flüsterte Anna.
Die Regentin schien zu allem entschlossen. Ein vorsichtiger Blick durch ein Astloch in der Bretterwand hatte ihr gezeigt, dass einer der Banditen mit einer Art von Stock - es konnte sich aber auch um eine Flinte handeln - bewaffnet war.
Mit Handzeichen verständigten sich die Frauen und gleich
darauf stand jeweils eine von ihnen neben einem Türflügel des Scheunentors und wartete darauf, bis die Eindringlinge, die sicher nichts Gutes im Sinn hatten, sich ins dämmerige Dunkel des Heuschobers wagten.
KAPITEL 67
HINTERHER HÄTTE KEINE der beiden Frauen genau zu erklären vermocht, wie sie schafften, mit dieser schier ausweglosen Lage fertig zu werden. Kaum hatte der erste uneingeladene Besucher seinen Kopf durch das vorsichtig aufgeschobene Tor gestreckt, schon schlug Céleste ohne zu zögern zu. Die Holzfälleraxt fuhr mit einem dumpfen, hässlichen Laut in den Schädel des Bösewichts. Lautlos sank er zu Boden.
Der zweite - nicht im Entferntesten mit so massiver Gegenwehr bei zwei »hilflosen« und erschöpften Frauen rechnend - war so überrascht, dass er nicht umgehend zurückwich, sondern ebenfalls ins Innere der Scheuer stolperte.
Der schmerzhafte Druck der scharfen Eisenzinken in seiner Brust ließ ihn erschreckt und zornig zugleich aufjaulen. Zum Teufel, was war denn hier los? Leichtes Spiel hatten sich die beiden ausgerechnet. Und das Kopfgeld, das auf alle miteinander, vor allem auf den Dauphin, ausgesetzt war, hatten sie im Geiste bereits ausgegeben …
»Bleib stehen, wenn dir dein Leben lieb ist, elender Kerl«, sagte Anna mit vollkommen ruhiger Stimme. »Lass den Dolch fallen und geh keinen Schritt weiter, sonst steche ich zu. Dein Kumpan ist bereits hinüber.«
Wie Anna und Céleste im Halbdunkel erkennen konnten, handelte es sich bei den beiden Angreifern um niemand anderen als ihre »Beschützer«, die ehemaligen Musketiere.
Der zweite Mann mochte sich wundern, dass die Königin sich durchaus in der Sprache des gemeinen Volkes auszudrücken verstand, sein Spießgeselle dagegen hörte längst nichts mehr.
Der Überlebende des gemeinen Überfalls, der so gründlich danebengegangen war, bettelte wie ein kleines Kind um sein Leben, als er sich den zu allem entschlossenen Frauen gegenüber sah.
Und die Damen ließen ihn wirklich laufen, nachdem er vorher noch die Armbrust, die er über der Schulter getragen hatte, zu Boden warf. Ausschlaggebend für die »Gnade«, die sie ihm zuteil werden ließen, war, dass beide hörten, wie die von dem entstandenen Lärm erwachten Knaben Anstalten machten, sich ihnen zu nähern.
»Hau ab, du elender Wicht!«, rief Céleste, ihre blutverschmierte Axt bedrohlich schwingend, und Anna pikste ihn noch warnend mit der Heugabel in die Kehrseite. »Lass dich nie wieder in unserer Nähe blicken, du gemeiner Verräter!«
Der Musketier machte, dass er davonkam. Die Königin aber lief ihren Kindern entgegen. »Bleibt liegen!«, befahl sie barsch. »Schlaft weiter, alle beide.«
Diesen Ton waren weder Ludwig noch Philippe von ihrer liebevollen Maman gewöhnt und der ältere Knabe setzte zum Protest an: »Aber, Maman, was ist los? Ich habe Schreie gehört und …«
»Nichts habt Ihr gehört, Sohn!«
Dies klang sehr barsch und zum Glück griff Céleste nun ein. »Ihr habt nur schlecht geträumt, Monseigneur. Legt Euch wieder hin und schlaft weiter. Später gibt es zu essen«, sagte
sie sanft, bückte sich und strich Monsieur Philippe die Haare aus der Stirn. Dann erhob sie sich und nahm unauffällig das Schultertuch an sich. Sie würden es brauchen, um die Leiche mit dem eingeschlagenen Schädel zuzudecken …
Die Zeiten waren bitter und hart und dementsprechend verrohten allmählich auch die Sitten der Menschen. Am nächsten Tag mussten die Frauen dem älteren Prinzen ihre Tat gestehen, denn Ludwig war zu aufgeweckt und hatte aus den Blutspritzern am Scheunentor und dem Fehlen der Musketiere die richtigen Schlüsse gezogen. Tapfer half der elfjährige, künftige König mit, den
Weitere Kostenlose Bücher