Im Dienste Der Koenigin
Ausweg aus dieser prekären Lage. Rasch hatte Anna sich daran gewöhnt, dass er in ihrem Leben eine noch wichtigere Rolle als zuvor einnahm. Hatte sie ihm früher schon ihr Vertrauen als politischer Berater geschenkt, war sie nun bereit, ihm ihr Innerstes zu öffnen; selbst ihrer Furcht schämte sie sich vor ihm nicht mehr - für Anna eine ganz neue Erfahrung.
»Keine Sorge, Madame, ich habe bereits einen Plan. Für den Fall, dass eine Revolution droht, habe ich mir diverse Fluchtmöglichkeiten überlegt, um Euch und die Kinder aus der Gefahrenzone zu bringen.«
Anna bot ihrer Freundin Marie an, mit ihr zu fliehen, aber die Herzogin wusste nicht so recht, was sie tun sollte.
»Ich muss tun, was mein Gemahl, der Herzog, will. Und Monsieur Claude hat sich noch nicht geäußert«, brachte sie als Entschuldigung für ihre Unentschlossenheit vor. Es klang wenig überzeugend und Anna wusste sofort, dass es eine Ausrede war.
»Ihr müsst selbst entscheiden, was Ihr zu tun gedenkt, Madame«, sagte sie nur und bemühte sich, die sie unwillkürlich überfallende Enttäuschung zu unterdrücken.
Die sich daraufhin ausbreitende Stille war etwas peinlich und Marie begann verlegen, Annas gutes Aussehen zu loben.
»Wie gelingt es Euch nur, Liebste, noch immer so wunderschön zu sein? Wir sind beinahe gleich alt, Madame, aber Ihr seht einfach viel jünger und frischer aus als ich. Ich muss gestehen, dass ich mich seit einiger Zeit auch gar nicht mehr wohl fühle in meiner Haut. Ob dies schon das Alter ist?«
»Wenn Ihr Euch krank fühlt, Madame, geht unbedingt zu einem vertrauenswürdigen Arzt. Mit längerem Unwohlsein ist nicht zu spaßen, Teuerste. Es macht mich traurig, davon zu hören.«
Anna war es Ernst damit. Auch sie hatte das Gefühl, dass mit ihrer lieben Marie etwas ganz und gar nicht mehr in Ordnung war. Die ehedem so heitere und gelassene Herzogin war meist missmutig, schnell beleidigt und neigte zu unmotivierten Wutausbrüchen. Von den äußerlichen Veränderungen ganz zu schweigen.
Die Herzogin versprach, sich um ihre Gesundheit zu kümmern.
Am 31. Dezember 1649, um zwei Uhr morgens, traten Anna und ihre Söhne die generalstabsmäßig vorbereitete Flucht nach Saint-Germain-en-Laye an.
Unauffällige, fast schäbige Kutschen, die in einer wenig befahrenen Seitenstraße am Schlosspark hielten, dienten ihnen als Fahrzeug. Nur ein paar Diener und Céleste schlossen sich ihnen an. Etliche Domestiken sowie die Hauslehrer der Knaben würden in einigen Tagen nachfolgen.
Gerade einmal zwei Feldbetten hatte man mitgenommen, um nicht durch umfangreiches Gepäck aufzufallen. Sie waren für Anna und Ludwig gedacht - alle anderen würden auf Strohsäcken schlafen müssen. Und dies in ungeheizten Räumen und noch dazu im bisher eisigsten Winter dieses Jahrhunderts...
Die Flucht gelang. In Saint-Germain-en-Laye drohte der königlichen Familie keinerlei Gefahr. Das Wachpersonal war absolut bourbonentreu und Kardinal Mazarin wohlgesinnt. Aber die Lebensumstände insgesamt waren der an Luxus gewöhnten Regentin zu primitiv und sie geriet, je länger ihre »Verbannung« andauerte, in immer größeren Zorn. Das Personal und der gesamte Hausrat, der sonst jeden Umzug mitmachte, hatten dieses Mal in Paris bleiben müssen.
»Ich, die Regentin von Frankreich, Königinmutter und Witwe König Ludwigs XIII., habe ich es etwa nötig, zu frieren und meiner Dienerschaft zu entbehren - von meiner gesamten Garderobe ganz zu schweigen?«, grollte sie.
Aber dies sollte erst der Anfang eines langen Leidensweges sein.
Auch in ihrem Refugium waren Anna und ihre Söhne bald nicht mehr sicher. Revolutionäre Banden streiften durch die Gegend und die königliche Familie sah sich gezwungen, monatelang inkognito kreuz und quer durchs Land zu ziehen, immer in der Angst, verraten, von den »Frondeuren« festgenommen und vor ein obskures »Gericht« gestellt zu werden.
Anna vermisste ihre Freundin Marie schmerzlich. Aber sie war doch so anständig, der Herzogin ein komfortableres, vor allem aber friedlicheres Leben zu gönnen, als jenes, zu dem sie und ihre Kinder gezwungen waren.
»Maman, ich habe Hunger«, pflegte Philippe zu klagen. Aber die Königin hatte oft nur noch ein Stück trockenes Brot und einen Becher Wasser, um ihre Familie zu versorgen.
Céleste, der nie in den Sinn gekommen wäre, ihren Schützling Ludwig zu verlassen, teilte das Wenige mit ihnen. Es brach ihr schier das Herz, als sie sah, dass Ludwig sein schäbiges
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