Im Dienste Der Koenigin
legendärer Charme waren so ziemlich dahin.
Céleste kam nicht umhin, die Herzogin, die ihr behäbig gegenübersaß, einer schonungslosen Betrachtung zu unterziehen.
Das teure, meerblaue, mit Perlen bestickte Seidengewand mit dem cremefarbenen Spitzenkragen - das so wunderbar mit ihrer Augenfarbe harmonierte - war ihr zu eng geworden und drohte an den Nähten aufzuplatzen, sobald Marie ihren schwer gewordenen Körper auf dem vergoldeten Stühlchen mit den fein gedrechselten, zierlichen Beinen bewegte. Beinahe war zu befürchten, der Sessel könne gar unter ihrem Gewicht zusammenbrechen.
Céleste mochte zwar eine schiefe Schulter haben und wenn man genau hinsah, war beim schnellen Gehen auch noch ein ganz leichtes Hinken zu verzeichnen; trotzdem war sie eine gut aussehende Frau verglichen mit ihrer Schwester Marie.
Célestes offenes und immer noch faltenloses Gesicht zeigte keine der Spuren, die das Leiden über ihre jahrelange Verbannung aus der geliebten Heimat bei Marie hinterlassen hatte. Beiden gemeinsam war das wunderschöne, üppige blonde Haar, wenngleich Célestes Haarpracht eher gesponnenen Silberfäden glich. Aber damit waren die Ähnlichkeiten der Schwestern schon erschöpft.
Marie hatte an Körperfülle noch weiter zugenommen und man durfte sie jetzt schon getrost als »fett« bezeichnen, während
Céleste nach wie vor gertenschlank war. Trotz ihres äußerst bescheidenen grauen Gewandes aus einfachem Stoff sah sie hübsch und adrett aus.
»Du hast ja keine Ahnung, was ich in Paris mitgemacht habe«, beschwerte sich Marie. »Zuletzt wagte ich es gar nicht mehr, mich in der Kutsche auf den Straßen zu zeigen. Kaum sahen die Anhänger der Fronde das Adelswappen, warfen diese Kerle doch glatt mit Steinen nach mir. Und was sie mir hinterhergeschrien haben - davon will ich lieber schweigen. Damit muss endlich Schluss sein - das sollte Anna gefälligst einsehen. Man ist als Edeldame ja seines Lebens nicht mehr sicher.«
»Du denkst wirklich, die Sache Annas und Ludwigs sei unwiederbringlich verloren?«, fragte die Jüngere erstaunt. Über die »unangenehmen« Erlebnisse der Schwester - lauter Lappalien in ihren Augen - verlor sie lieber kein Wort. » Ich meine, die harte Auseinandersetzung beginnt erst jetzt und die Regentin sollte nicht zu früh die weiße Flagge hissen.
Viele Aristokraten unterstützen die Fronde, aber beileibe nicht alle. Es kommt nur darauf an, dass Anna und der Kardinal hart bleiben und ihre Position mit Nachdruck verteidigen. Wer will schon englische Verhältnisse bei uns haben?«
»Pah, du träumst, Céleste! Es ist aus mit den Bourbonen! Nach nur zwei Generationen hat sich ihre Macht in Luft aufgelöst. Anna und ihren Söhnen wird nur das Exil bleiben. Aber es fragt sich: Wo soll das sein?
Ihr Bruder Philipp IV., mit dem sie andauernd Krieg führt, wird sich herzlich bedanken. Und ihr Cousin, der deutsche Kaiser, soll erst kürzlich gesagt haben: ›Wenn die Königin mit ihrem Sohn Frankreich verlassen müsste, wird sie jedenfalls in meinen Ländern nicht willkommen sein.‹«
Marie verzog ihr feist gewordenes Gesicht. »Du siehst also,
meine Liebe, dass Anna wirklich schlechte Karten hat, was ihre Regentschaft und die spätere Thronbesteigung von Ludwig XIV. anbelangt.«
»Wenn man dich so reden hört, Marie, könnte sich einem beinahe der absurde Gedanke aufdrängen, dass du der Königin die Misere gönnst. Was hat dir Anna eigentlich getan, dass du auf einmal so gegen sie eingestellt bist?«, erkundigte sich Céleste verstimmt.
Aber Marie wies den Vorwurf weit von sich.
»Da irrst du dich gewaltig, ma Chère! Ich liebe Anna, das weißt du doch. Ich bin nur realistisch genug, um rechtzeitig mein Schäfchen ins Trockene zu bringen. Mich für eine verlorene politische Angelegenheit einzusetzen, ist meine Sache nicht. Aber das ändert doch nichts an meinen persönlichen, nach wie vor sehr herzlichen Gefühlen für die Regentin.
Mein Gemahl Claude und ich werden wohl demnächst Frankreich verlassen und zwar über den Rhein, möglicherweise in Richtung Köln oder Mainz, um dort in aller Ruhe abzuwarten, wie die Lage sich hier entwickelt. Sollte Anna wider Erwarten ihre Macht behaupten, dann können wir ohne Schwierigkeiten zurückkehren, indem wir behaupten, die Fronde hätte uns gezwungen, zu flüchten.«
»Natürlich«, warf Céleste verärgert ein, »und falls die Fronde zu den Gewinnern des Bürgerkriegs gehört, dann sagt ihr einfach, Kardinal Mazarin hätte euch das
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