Im Dienste Der Koenigin
verschlossenen Türen genießen«, sagte Céleste. »Jeder darf nun sehen, dass sie, die Mutter des Königs, mit einem Mann zusammenlebt, der ihre Zuneigung verdient.«
Céleste hatte ihre Schwester Marie in ihrem Palais, wohin diese heimlich bei Nacht zurückgekehrt war, aufgesucht, um ihr die letzten Neuigkeiten mitzuteilen - etwas, das sie auch während Maries Aufenthalt am »Hof der Wunder« regelmäßig getan hatte.
»Die Chevreuse« freute sich ehrlich über Célestes Erhebung in den höheren Adelsstand, am meisten aber über das späte Glück der Königin.
»Viel zu lange hat Anna an der Seite eines Gatten ausgeharrt, der ihre Gefühle mit Füßen getreten hat«, sagte sie zur frischgebackenen Comtesse de Rollande. »Ich hoffe nur, die Königinmutter hat nicht auf einmal das Bedürfnis, sich vor irgendjemandem zu rechtfertigen - und sei es auch ihr Beichtvater.
Gerade die Kirche hat sie jahrelang schmählich im Stich gelassen und ihr niemals gegen ihren ekelhaften Gemahl zur Seite gestanden. Ich gönne Anna ihre Liebe von ganzem Herzen - wenn mir auch der Charakter dieses Kardinals nach wie vor suspekt ist.«
Maries Sorge war überflüssig. Die ehemalige Regentin hatte keineswegs die Absicht, sich in ihren Gefühlen durch Vertreter des Klerus’ maßregeln zu lassen. Anna war durch ihre Erlebnisse stark geworden und sie würde niemandem mehr das Recht einräumen, sich in ihre künftige Lebensführung einzumischen - selbst der Kirche nicht, trotz all ihrer Frömmigkeit und Gottesfurcht.
Das Einzige, was Anna nicht ertragen konnte, war, von ihrem Geliebten jemals wieder getrennt zu sein. Selbst wenn beide sich nur für Stunden nicht sahen, griffen Anna und Mazarin zur Feder. An manchen Tagen waren es sogar mehrere Briefe, die sie sich gegenseitig durch Eilboten zukommen ließen. Hatten sie sich doch so unendlich viel zu erzählen …
Nur ihrer Ersten Kammerfrau, Madame de Motteville, war bekannt, dass die Liebenden bei ihrer geheimen Korrespondenz - die sie sogar mit einem besonderen Siegel versahen, den ineinander verschlungenen Buchstaben A und M - sich eines nur ihnen bekannten Codes bedienten. Später weihte Anna auch Marie verschämt ein, mit einer geradezu kindlichen, unverhohlenen Freude.
Das reife Paar benützte Chiffren und Ziffern sowie allerlei Sternchen, Blumen und andere Zeichen. Niemand, der sich etwa dazu verleiten ließ, ihre Briefe unbefugt zu öffnen und zu lesen, sollte imstande sein, deren Sinn zu verstehen.
Anna erblühte erneut. Wie ein junges Mädchen, das seine erste große Liebe erlebt, erschien sie allen, die sie an der Seite ihres Sohnes im Kronrat oder auf Empfängen im Palais Royal sahen. Ohne viel an Putz und Schminke zu benötigen, überstrahlte sie alle Damen bei Hofe, auch solche, die etliche Jahrzehnte jünger waren als sie.
»Natürlich sind sie süß, die allerliebsten, kleinen Hofdamen mit gerade einmal dreizehn, vierzehn Jahren«, äußerte sich ein englischer Diplomat anlässlich eines Empfangs bei Ludwig XIV., »aber sie wirken eher wie putzige Nymphchen, welche die Liebesgöttin Venus umschwirren. Königin Anna jedoch ist, trotz ihrer Jahre, die Allerschönste.«
Die Herren, adlige Botschafter von den übrigen Höfen Europas, widersprachen ihm nicht.
Der junge König war ungeheuer stolz auf seine attraktive Maman.
KAPITEL 77
LUDWIG XIV. HATTE den üblichen Antrittsbesuch bei seinen adligen Untertanen bravourös absolviert und war nach Paris zurückgekehrt, wo man ihm einen triumphalen Empfang bereitete.
Eines Abends Ende Februar 1652 traf am Hof eine Dame
ein, die im ersten Augenblick niemand erkannte. Selbst im Dienst ergraute Domestiken zuckten ratlos die Schultern, wenn einer der Gäste sie fragend ansah. Jeder war wie geblendet von ihrer strahlenden Erscheinung, als die blonde Unbekannte, anlässlich eines Empfangs des jugendlichen Monarchen, im festlich geschmückten Saal erschien.
Ausgerechnet der ziemlich unscheinbare, alt und gebrechlich gewordene Herzog Claude führte sie am Arm herein, um sie Ludwig XIV. als seine Begleiterin für diese Soiree zu präsentieren.
Da der Edelmann so leise flüsterte, verstand niemand vom Gefolge des Königs ihren Namen. Man kündigte also nur den Herzog de Lorraine-Chevreuse »mit Begleiterin« an.
Die Umstehenden stießen sich heimlich mit den Ellbogen an, als die schlanke Schöne mit dem kostbaren Diamantschmuck an Hals und Ohren in ihrem kardinalroten, tief ausgeschnittenen Seidenkleid mit enger Taille
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