Im Dreieck des Drachen
hinab und erreichte den sandigen Abhang des Sees. Er horchte. Die anderen Jetskier rückten näher. Blut rann ihm den Hals herab. Er legte sein Gewehr an in dem Bewusstsein, dass ihm wohl sein letztes Stündlein geschlagen hatte. Er rutschte weiter zurück. Füße und Fußknöchel baumelten jetzt im Wasser des Sees. Er konnte nirgendwo mehr hin. Sein einziger Trost blieb, dass Karen und den anderen die Flucht geglückt war.
Während er auf den Angriff wartete, knabberten winzige Fische an seinen Zehen. Das Blut aus den Schürfwunden hatte sie angezogen. Er trat sie beiseite.
Dann fiel ihm die Geschichte ein, die Karen ihm vom Bau der Insel Darong erzählt hatte. Ein Tunnel verband den See mit dem Meer draußen vor dem Riff, hatte sie gesagt, sodass die Fische hereinkommen konnten. Er schaute sich um; das Brackwasser lag lediglich dreißig Meter entfernt. Ein sehr schwieriger Tauchgang, jedoch nicht unmöglich zu bewältigen.
Er hörte das Scharren auf Stein.
Er musste nicht lange überlegen, welches der beiden möglichen Risiken weniger groß war.
Er ließ das Gewehr fallen, zog sich den Rucksack von der Schulter und glitt in den See, dessen Grund steil nach unten abfiel. Wenige Atemzüge lang trat er Wasser und sog so viel Luft wie möglich in die Lungen. Normalerweise konnte er den Atem bis zu fünf Minuten anhalten, aber das hier würde ein langer, finsterer Tauchgang werden.
Nach einem letzten, tiefen Atemholen tauchte er hinab. Die frische Verletzung an seinem Ohr brannte in dem Salzwasser, aber der Schmerz sorgte wenigstens dafür, dass er sich konzentrierte.
Seine Hände berührten den schlammigen Grund. Umherpaddelnd musterte er die Begrenzungsmauern des künstlichen Sees und suchte verzweifelt nach der Tunnelöffnung. Zuerst schwamm er an dem Abschnitt entlang, der dem Brackwasser zugewandt war, weil er dies für den wahrscheinlichsten Ort hielt. Es stellte sich rasch als richtig heraus: Sein Arm verschwand im Schlund eines steinernen Tunnels.
Er merkte sich die Stelle, stieg wieder zur Oberfläche auf und holte eilig tief Luft. Während er sich so vorbereitete, horchte er. Es klang, als würden die Jetskier davonfahren. Aber um den See herum hörte sich alles sehr seltsam an. Er konnte sich nicht sicher sein, insbesondere, da es so viele waren. Dann vernahm er aus größerer Nähe eine geflüsterte Debatte sowie das Klappern lockerer Steine und verstand das Wort »Bombe«. Das reichte ihm.
Mit einem sauberen Scherentritt tauchte er hinab und erreichte den Eingang des Tunnels. Ohne innezuhalten, schwamm er in das von Korallen überkrustete Loch und zog und trieb sich mithilfe von Händen und Zehen den Schacht hinab. Erkennen konnte er nichts. Da er blindlings dahinraste, zerkratzten und zerschnitten ihm die scharfen Korallen Beine und Arme. Aber er spürte den Schmerz nicht mehr. Er schob ihn beiseite und konzentrierte sich bloß auf eines – aufs Weiterkommen.
Während er sich so dahinwand, breitete sich in seinen Lungen ein neuer Schmerz aus.
Auch diesen Schmerz ignorierte er.
Als er wieder einmal die Hand ausstreckte, berührte er Stein. Panik erfasste ihn. Verzweifelt streckte er beide Handflächen aus und tastete umher. Eine Steinmauer versperrte ihm den Weg. Er kämpfte, stieß keuchend ein wenig Luft aus, bevor er sich wieder dazu zwang, die Ruhe zu bewahren. Panik war der schlimmste Feind des Tauchers.
Er tastete die Mauern zu beiden Seiten ab und erkannte, dass der Weg sich nach rechts öffnete. Es war einfach eine Biegung im Tunnel! Er zog sich an der Kante um die Ecke.
Trotz der Erleichterung war er auch besorgt. Wie lang und kurvenreich war dieser Tunnel? Die Insel Darong lag lediglich dreißig Meter vom Rand des Riffs entfernt, aber wenn sich der Gang drehte und wand, wie lang müsste er dann wirklich schwimmen?
Allmählich wurde ihm die Luft knapp. Die langen, anstrengenden Stunden zuvor forderten ihren Tribut. Seine Gliedmaßen verlangten nach mehr Sauerstoff. Kleine Lichtfunken tanzten vor seinen Augen. Die Geisterlichter des Sauerstoffmangels.
Jack wurde schneller; er wollte sich nicht von der Panik überwältigen lassen. Der Gang vollführte zwei weitere Kurven.
In seinen Lungen setzte ein Zucken ein. Er wusste, dass schließlich die Reflexe übernehmen würden und er aufkeuchen müsste. Doch blind und ohne jegliche Vorstellung davon, wie weit er noch zu tauchen hätte, blieb ihm keine andere Wahl, als seine animalischen Instinkte irgendwie zu überlisten.
In Jacks Kopf
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