Im Dunkeln sind alle Wölfe grau
Hellebust jetzt?«
»Der Name sagt dir nichts?«
Ich mußte nachdenken. »Irgendwo – weit weg – klingelt es
schon, aber ich kann ihn nicht einordnen.«
»Hagbart Helle denn, vielleicht – hört sich das bekannter an?« Ich nickte. »Natürlich.«
Hjalmar Nymark schenkte eine neue Runde ein und blieb mit
der Flasche in der Hand sitzen. »Was weißt du von ihm?«
Ich zögerte etwas. »Nicht sehr viel. Daß er irgendwann Anfang der 50er Jahre ausgewandert ist, daß er sich in der Karibik oder irgendwo da unten etabliert hat und daß er eine ständig wachsende Schiffsflotte besitzt, die unter Billigflagge segelt. Einer der Reeder, die es nicht einmal für nötig hielten, auch nur einen Schimmer von Nationalgefühl zu bewahren, sondern Steuern Steuern und Wohlfahrtsstaat Wohlfahrtsstaat sein lassen. Aber ich habe ihn nicht vor Augen. Als Person, meine ich. Er ist irgendwie etwas – verschwommen.«
»Verschwommen ist genau das richtige Wort.« Hjalmar Nymark schwenkte aufgeregt die Flasche. Es schwappte darin und ich befürchtete, er würde sie an die Tischkante schlagen, wie er es sonst gewöhnlich mit der Zeitung tat.
»Es ist seit 1954 kein Foto mehr von ihm gemacht worden, und wenn er in Norwegen ist, scheut er alles, was Öffentlichkeit heißt, wie die Pest.«
»Tja, eben ein Mann, der ein friedliches Privatleben zu schätzen weiß. Ist er verheiratet?«
»Allerdings. Er ist dreiundsiebzig und mit einem Mädchen verheiratet, das noch nicht einmal vierzig ist. Eine Engländerin, soviel ich weiß. Er traf sie auf Barbados. Da wohnt er nämlich.« Ich hob mein Glas.
»Ach ja, der sonnige Süden.«
»Zum Teufel damit.« Er beugte sich über die Tischkante vor. »Ich kann Sonne nicht vertragen. Wenn es irgendwie zu vermeiden war, hab ich das Vestland nie verlassen.« Er sah aus dem Fenster. »Ein langer und regnerischer Vestlandsommer, das ist das Glück.«
»Mußt du ein glücklicher Mensch sein, Nymark. Längst nicht alle bekommen ihre Wünsche so treu erfüllt.«
Ich fühlte es hinter den Schläfen prickeln. Langsam wurde ich betrunken.
»Tja, Hagbart Helle, der hat sein Glück mit dem Pfau-Brand gemacht, Veum.«
Ich lehnte mich mit dem Glas in der Hand im Stuhl zurück.
»Laß hören. The Story of Hagbart from Norway!«
»Du kannst es gern so nennen, es ist nämlich eine von den guten alten Karrieregeschichten.« Er ließ die r -s ein wenig rollen. Der Schnaps tat auch bei ihm seine Wirkung.
»Hagbart Hellebust wurde 1908 in Bergen geboren. Der Vater kam irgendwo oben von der Küste, aus Buland, glaube ich, und arbeitete als Färber. Der Sohn begann im gleichen Fach, wechselte aber die Linie, sozusagen. Er ging in die Farbenbranche. Wie so viele erfolgreiche Betriebe, war Pfau zu Anfang im Grunde ein Einmannbetrieb, und eins muß man Hagbart Helle wirklich lassen, er beherrschte die Kunst, klein anzufangen. Zweimal. Pfau wurde recht schnell ein bekanntes Warenzeichen und der Betrieb wuchs. Was in einer Holzbude draußen in der Sjøgate angefangen hatte, wurde zu einem großen Fabrikgebäude im Fjøsangervei, und der Hagbart selbst konnte seine Dachgeschoßwohnung in der Ladegårdsgate gegen eine Villa auf Hop eintauschen. Aber das lag in der Familie. Ein paar Jahre lang hatte er einen jüngeren Bruder dabei, Yngvar, aber der machte sich in der Trikotagenbranche selbständig und führte bald ein eigenes, blühendes Geschäft. Er wohnt übrigens immer noch in Bergen.«
»Läßt er sich fotografieren?«
»Ich glaube schon. Das einzige Mal, das Hagbart Helle nach Bergen kommt, einmal im Jahr, und er bleibt auch nur einen Tag hier, ist der 1. September, da hat der Bruder Geburtstag und die Familie versammelt sich.«
»Ansonsten bleibt er in der Sonne?«
»Du sagst es. Der Brand im Fjøsangervei hätte selbstverständlich eine Katastrophe für ihn sein können, aber er wendete alles zu seinem Vorteil und bekam die gesamte Versicherungssumme ausgezahlt. Der Betrag wurde nie öffentlich bekanntgegeben, aber ich garantiere dir, daß es sich, in 1953er Kronen gerechnet, um eine solide Summe gehandelt hat.«
»Heute würde es mit anderen Worten nicht einmal die Lichtrechnung decken?«
»Naja, … Hagbart Helle kaufte sich einen Anteil an einem Schiff, und zwar einen recht großen.«
»Hier im Lande?«
»Na klar doch. Hier im Lande und in voller Übereinstimmung mit allen Vorschriften. Er wechselte nur das Pferd. Hüpfte von Fabrikbesitzer auf Schiffsreeder im Laufe von ein oder zwei Tagen. Und dann plötzlich, ein
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