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Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Titel: Im Dunkeln sind alle Wölfe grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Jahr später oder sowas, tauchte er wie aus dem Nichts in der Karibik auf. Da hatte er seinen Anteil an der Reederei hier zuhause verkauft – die übrigens ein paar Jahre später in Konkurs ging – und ließ sich auf Barbados nieder, mit einem kleinen schneeweißen Schiff in der Tasche. Bulkschiffe! Darin lag das leichtverdiente Geld, damals wie heute. Und zum ersten Mal sahen die Weltmeere das später so wohlbekannte Zeichen der Reederei am Schornstein: zwei weiße H-s auf blauem Grund. Das doppelte H ist ihm seitdem gefolgt. Er verstand es, im rechten Augenblick aufzutauchen, eineinhalb Jahre vor der Suez-Krise. Daraus schlug er Kapital. Wie bei vielen anderen Reedern läßt sich seine Umsatzkurve nach den Krisen im mittleren Osten zeichnen. Die Spitzenjahre sind 1956, 1968 und 1973.«
»Und wann hat er sich das, bust’ abgeschnitten?«
»Vom Namen meinst du? Das war, als er sich im Ausland etablierte. Helle war für Ausländer wohl leichter auszusprechen als Hellebust.«
»Komisch, daß er nicht auch den Bart abgeschnitten hat, dann würde es noch leichter.«
Er wurde still. Wir saßen eine Weile stumm da. Nippten am Schnaps, hörten den Regen gegen die Scheiben schlagen. Irgendwo im Haus drehte jemand einen Fernseher leise. Unten auf der Straße fuhren in gleichmäßigen Abständen Autos vorbei, aber es war eine stille Straße und die Abstände waren groß.
Als Hjalmar Nymark die Stille brach, waren seine Augen wieder dunkel und verbittert. »Ich hab gesagt, daß kein Fall bisher so großen Eindruck auf mich gemacht hat, wie der Brand bei Pfau. Ich werde dir erzählen, warum. Ich habe zu meiner Zeit damals eine ganze Menge Leichen gesehen. Menschen, die in ihren Autos tagelang im Wasser gelegen hatten, verkohlte Leichen aus abgebrannten Häusern, alte Leute, die in ihren Betten vor sich hingegammelt hatten, solange, bis der Geruch endlich die Nachbarn erreichte. Aber der Anblick bei Pfau … Fünfzehn verkohlte Menschen, Veum. In Alpträumen erlebe ich heute noch wieder, was ich damals gesehen habe. Und ich war schließlich kein Grünschnabel. Ich war 42 Jahre alt und hatte so einiges mitgemacht, im Krieg zum Beispiel. Aber das …«
Er sah sich im Zimmer um, als überblicke er einen um vieles größeren Raum, mit düsterer Perspektive. »Die große Produktionshalle war völlig ausgebrannt. Diejenigen, die am nächsten an der vermutlichen Explosionsstelle gestanden hatten, waren in Stücke gerissen, und ihre verkohlten Reste klebten verstreut an Boden und Wänden und dem, was von der Dachkonstruktion noch übrig war. Von denen, die noch ganz waren, waren viele auf dem Weg von der Explosionsstelle weg zum Ausgang hin gewesen. Einer von ihnen war sogar aus der Halle selbst raus und bis ins Treppenhaus gekommen. Aber das Treppenhaus brannte auch und er kam nicht mehr raus. Von den achtzehn, die da drinnen arbeiteten, kamen nur drei wirklich raus. Einer von ihnen war für den Rest seines Lebens blind, alle hatten schwere Brandverletzungen.«
»Aber sie überlebten?«
»Sie überlebten, aber sie waren nicht darum zu beneiden. Zwei von ihnen sind jetzt tot, und die kläglichen Reste von dem, der noch übrig ist, findest du irgendwo unten im Hafen. Er gehört zur festen Klientel und er sieht ganz einfach gräßlich aus, Veum.«
»Wie heißt er?«
»Olai Osvold. Aber sie nennen ihn nur ›Brandstelle‹.«
Ich lächelte schief. Sie verstanden es, den Leuten Namen zu verpassen.
»Habt ihr was herausgefunden, am Brandort?«
»Wie ich vorhin gesagt habe. Die Brandursache war eine Explosion eines der Produktionstanks. Es wurde etwas entdeckt, was ein Fehler in der Konstruktion hätte gewesen sein können, und das Gas, was dann entwichen wäre, war hochgradig explosiv. Das Resultat der ganzen Untersuchung wurde an die Versicherungsgesellschaft geschickt, und dort protestierten sie nicht. Und wie du sicherlich weißt, die Leute da zahlen schließlich kein Geld aus, wenn sie eine Chance sehen, das zu umgehen. Es ging dabei ja nicht nur um die Versicherungssumme für die Fabrik. Es waren auch eine Reihe von Lebensversicherungen im Spiel.«
Ich nickte. Das wußte ich. Es kam vor, daß sie mir Honorar zahlten, und das war nie leichtverdientes Geld.
Er fuhr fort. »Auch die Staatsanwaltschaft prüfte den Bericht. Ob eine Anklage in Frage käme, wegen Fahrlässigkeit, Verstoß gegen die Sicherheitsvorschriften oder ähnliches. Aber aufgrund des Materials, das wir gesammelt hatten, hielt man einen solchen Schritt für unmöglich.

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