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Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Titel: Im Dunkeln sind alle Wölfe grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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und ein wirkliches Ziel im Leben bekommen hatte: Das Land vor den Bolschewisten zu schützen, dem Weltkommunismus Einhalt zu gebieten. Es war etwas Geducktes an der Gestalt dort am anderen Ende des Tisches, das das zwielichtige an ihm unterstrich. Du konntest ihn vor dir sehen, wie er während des Krieges seine düsteren Absprachen mit Repräsentanten der Besatzer traf. Du konntest ihn, den Mantelkragen hochgeschlagen, sicher in einem Hauseingang oder weit oben in einer Gasse stehen sehen, während die Gestapo ihre nächtlichen Ausflüge machte, seinem Rat und Wink folgend. Und du konntest ihn mit Geschick und Fertigkeit das arrangieren sehen, was dann später als ,Unglücksfälle’ klassifiziert werden sollte.
Dort wo er saß, befand er sich in einem Mausoleum seines eigenen Glaubens. Hinter ihm, an der Wand über der Kommode, hingen zwei große Fotografien. Die eine war von Adolf Hitler, die andere von Vidkun Quisling. Beide trugen Uniform. Auf der Kommode stand ein dreiarmiger Kerzenhalter mit hohen Kerzen darin, die jetzt nicht brannten, die aber für die zwei Führergestalten in seinem Leben den reinsten Altar bildeten; für die beiden, die ihn den langen, gewundenen Weg entlanggeführt hatten, der zu einem halbdunklen Raum, einer verzweifelten Frau und einer Konfrontation mit einem Mann geführt hatten, den er noch nie gesehen hatte.
Der Raum dort drinnen hatte einen braunen Ton: die Tapete war alt und verschmutzt, der Teppich verschlissen, der alte Eßtisch hatte Streifen im Lack. Harald Wulffs Gesicht gehörte in diesen Rahmen hinein, als wäre er selbst nicht lebendiger als die zwei auf den Fotografien.
»Du bist eine verdammte Idiotin, Elise. Jetzt hast du alles kaputt gemacht.« Es war ein leerer Klang in seiner Stimme, ein unheilverkündender Ton, der nichts Gutes verhieß, weder für sie, noch für mich.
Ich sagte – und es waren die ersten Worte, die ich hervorbrachte:
»Was fehlt dir, Wulff?«
Es blitzte in seinen Augen. »Du weißt also, wer ich bin?« Auch sein Blick verhieß nichts Gutes.
Sie fiel ein: »Er muß zum Arzt. Ich hab es ihm gesagt, schon lange, er sollte nicht so rumlaufen – er …« Tränen liefen jetzt ihre Wangen hinunter, und ihre Augen hingen an seinem Gesicht. »Er blutet innerlich. Er verliert Blut. Er wird aufgefressen, langsam, aber weil – weil er sich einmal – einmal entschieden hat zu – zu …«
»Unterzutauchen?« sagte ich.
»Ja«, schluchzte sie. »Deshalb konnte er nicht wieder auftauchen.«
»Sie würden fragen, wie ich heiße. Die verdammte kommunistische Bürokratie, die Krankenkasse müßte wissen, wer ich bin. Aber ich habe keinen Namen. Ich bin tot.«
Ich sagte: »Und doch nicht tot. Noch nicht.« Als würde es mir erst jetzt endgültig klar werden: »Du wurdest 1971 gar nicht getötet!«
Jetzt war offener Hohn sowohl in seinem Blick als auch in seiner Stimme. »Nein, ich bin 1971 nicht gestorben.«
Es wurde plötzlich still. Elise Blom hielt die Hände vor das Gesicht und weinte mit leisen, unterdrückten Schluchzern. Ich mischte die Karten erneut und versuchte, die Patience noch einmal zu legen. Als ich anfing zu reden, war ich bei 1953: »Es war das unverhoffte Geld, was mich auf die Spur brachte.«
»Welches Geld?« knurrte er, fast gegen seinen Willen.
»195 3 – und in den Jahren danach. Das Geld, das Elise Blom dazu verhalf, dieses Haus zu kaufen. Und das Geld, das ihrer Kollegin, Fräulein Pedersen, dazu verhalf, sich in Spanien niederzulassen, wie eine Art Frührentnerin. Wenn wir dich mitrechnen, Wulff, Holger Karlsen, der tot war und Hagbart Hellebust, der am wenigsten von allen Lust hatte, was zu erzählen, war weiter niemand im Büro, als es gesagt wurde.«
»Als was gesagt wurde?«
Elise Blom hatte aufgehört zu weinen. Ihre Hände waren jetzt zu den Mundwinkeln und der Unterlippe gelangt. Sie starrte mich mit großen, verweinten Augen an.
Ich verlagerte mein Gewicht von einem Bein auf das andere. »Als Holger Karlsen über die mangelnde Instandhaltung klagte und darüber, daß es Anzeichen für eine Leckage in der Produktionshalle gab.«
Sie starrten mich stumm an. Jetzt waren nicht mehr sie die Gespenster. Jetzt war ich es, als stünde mit einem Mal Holger Karlsen selbst bei lebendigem Leibe vor ihnen. »Habe ich etwa nicht Recht? Und wenige Tage danach knallte es. Du hattest schon früher im Sturm gestanden, Wulff, und du wußtest, welchen Druck du auf Hellebust ausüben konntest, wenn du es richtig anfingst. – Hinterher, als der Brand

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