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Im Dutzend phantastischer

Im Dutzend phantastischer

Titel: Im Dutzend phantastischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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Verliebte oder Jungverheiratete besaßen, dass die Sage bei ihnen eintraf.
    Mary weinte und ging zurück ins Zimmer. John saß auf dem Bett, hielt das Gesicht in den Händen versteckt. Als Mary hereinkam, sah er nicht auf. Bei dem Anblick milde gestimmt, trat Mary auf ihn zu, legte vorsichtig eine Hand auf seine Schulter und sagte beschwichtigend: »Du hast es gut gemeint, aber sieh, die Touristen, die hier herumlaufen. Sie werden uns stören. Nie wird der Garten für uns alleine sein. Immer werden uns neugierige Blicke verfolgen. Willst du das?«
    John sah sie an. Und Mary erschrak. Seine Augen waren kalt, kälter als die winterliche Luft draußen, kälter noch als der alte Stein, den schon viele Menschen geküsst hatten. Der Ausdruck verschwand in wenigen Sekunden und Mary redete sich ein, sich dieses Gefühl nur eingebildet zu haben.
    »Ich habe vier Zimmer und die Küche gekauft. Wir können alles umbauen, natürlich unter gewissen Vorschriften. Wir haben den Teil des Schlosses, in den keine Touristen kommen und in dem uns keine neugierigen Blicke stören werden. Aber wenn du nicht willst, bitte!«
    John stand auf und packte einige Kleidungsstücke zusammen, die von der Nacht zuvor verstreut im Zimmer herumlagen.
    Nervös kaute Mary an einem Fingernagel herum und beobachtete ratlos den Mann, den sie vor wenigen Stunden noch innig geliebt, mit dem sie sich vor ihrer Hochzeit nie gestritten hatte.
    Sie ging auf John zu und versuchte ihn zu umarmen. Doch er wehrte sie ab und stopfte eine Socke in die Reisetasche.
    »Was ist nur mit dir, John? – John! – Bitte sieh mich an.«
    Mary wünschte sich im gleichen Augenblick, sie hätte nichts gesagt, denn als John sie ansah, war sein Blick wieder eisig. Sie fröstelte und schlang schützend ihre Arme um ihren Oberkörper.
    Für einen Moment spürte sie Angst in ihrem Magen, gefolgt von der unnatürlichen Kälte, die sie schon am Morgen bemerkt hatte. Was war nur geschehen?
    Sie ließ die Arme sinken und trat entschlossen einen Schritt auf John zu.
    Was Mary nicht bemerkte: Die Kälte fraß sich langsam durch ihren Körper. Aber – und das war schlimmer – sie wusste nicht, was geschah, wenn sie es zuließe, dass sich ihr Inneres mit einem frostigen, toten Nebel überzog. Noch wusste sie es nicht.
    Für einen Moment funkelten John und Mary sich gegenseitig kalt und böse an. Plötzlich hob John die rechte Hand und ohrfeigte Mary. Sie kämpfte nicht gegen ihn an, sondern zuckte erschrocken zurück und die boshafte Kälte glitt aus ihr heraus, wie ein Regenwurm aus seinem Loch.
    Sie spürte wieder eine Wärme in sich. Doch nun konnte Mary ihre Tränen nicht zurück halten.
    »Nun heulst du wieder! Mein Gott, wen habe ich da nur geheiratet!«, sagte John sarkastisch, während er seine restlichen Sachen in die Tasche packte.
    »Du bist…«, begann Mary mit zittriger Stimme. »Du bist eisig, fremd, schau dich an, merkst du das nicht? Du bist nicht mehr du selbst. Los! Schau in einen Spiegel und sieh deine Augen an, sie versprühen Kälte. Das ist nicht der John, den ich geheiratet habe. Du nicht!« Sie drehte sich herum, griff im Vorbeigehen nach Jacke und Schal und eilte aus dem Schloss heraus. Weg von der geheimnisvollen Kälte, die sie selbst empfunden hatte, und die John ihr entgegen schleuderte.
    Sie rannte in den frostigen Tag hinein, bis sie keine Luft mehr bekam und Seitenstiche sie quälten. Vor einem angrenzenden Wald drehte sie sich um und betrachtete das Schloss aus der Ferne. Sie erblickte einen Teil des Steins, der verlassen emporragte und weitere Verliebte ins Unglück stürzen wollte. Was war nur geschehen? Sie harrte mehr als eine Stunde in der Kälte aus. Aber John suchte sie nicht. Traurig und allein ging Mary schließlich zurück. Sie wählte jedoch den direkten Weg zum Kindness Stone. Dort hatte alles begonnen.
    Vorsichtig kletterte sie an dem glatten Gestein empor. Sie stöhnte vor Anstrengung. Leise flüsterte sie vor sich hin: »Wie habe ich das gestern nur mit dem langen Kleid geschafft?«
    Schließlich stand sie an der zerfallenen Mauer, die noch einen Teil des Kindness Stones einzäunte. Sie legte die Hand auf die geschichteten Steinreste. Mit einem Mal durchzuckte sie ein wohliger, angenehmer Schauer. Überrascht zog sie ihre Hand zurück. Mit der anderen rieb sie die Finger, als hätte sie ein elektrischer Schlag getroffen. Nervös schaute sie sich um, aber es war niemand zu sehen. John schien nicht nach ihr zu suchen. Das enttäuschte sie

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