Im Dutzend phantastischer
sich nichts sehnlicher, als tot neben ihm liegen zu dürfen. Eines Tages fasste sie den Entschluss. Sie zog ihr Hochzeitskleid an und kletterte auf den Kindness Stone. Der Stein ist nicht hoch genug, dass sich ein Mensch zu Tode stürzen könnte, doch Sahira´s Herz war schon gestorben und lag zusammen mit ihrem Gatten in dem großen Leichensaal. Und so zerschellte nur ihre Hülle am Boden. Bevor sie sprang, schrie sie laut und von Schmerz gepeinigt: »Über den Tod hinaus will ich mit dir leben, David!«
Dann fiel sie und alle Menschen im Dorf spürten die Trauer, die sich über das Land senkte.
Als Sahira nach ihrem Sturz erwachte, fühlte sie Wärme und Glück. Dort stand er neben ihr... ihr Geliebter, ihr David. Du glaubst es nicht, ich merke es an deiner Nasenspitze. Aber so war es. Er hatte auf sie gewartet und nun waren sie wieder vereint und sie schworen sich, die Burg niemals mehr zu verlassen. Das haben sie auch nicht. Dafür haben sie ihre Mauern bewacht. Erst als ihr diese Schwellen überschritten habt, schworen sie Rache, denn dein Mann ist ein Nachkomme der bösen McCorthys. Es liegt ihm im Blut. Er ist böse.«
»Nein, das ist nicht wahr!«, rief Mary und sprang auf.
»Ich verstehe dich. Aber erinnere dich. Nach der Hochzeitsnacht verwandeln sie sich in menschliche Monster.«
Mary schüttelte den Kopf und widersprach erneut: »Nein, das will ich nicht glauben.«
»Du hast die Kälte und den Hass gespürt – heute morgen und bei eurem Streit. Erinnere dich, mein Kind. Du hast dagegen angekämpft. Dein Herz ist zu rein und zu gutmütig. In deinen Adern fließt keine Gewalt, selbst gegen die höheren Mächte bist du stark. Doch gegen die Boshaftigkeit von John wirst du nie stark genug sein. Glaube es mir.«
»Und wo ist er jetzt?«
»Das können dir nur die Geister sagen!«
»Und die Wärme, die ich am Stein gefühlt habe, was war das?«
»Die Energie des Steins.«
»Es klingt furchtbar und geheimnisvoll. Und es ist schlimm, was geschehen ist. Aber warum ich, warum John? Ich verstehe das nicht.«
»Mit der Zeit wirst du es verstehen, glaube mir. Mit der Zeit...«
»Ich kann dich nicht sehen und weiß nicht, wer du bist. Warum sollte ich dir glauben?«
»Du spürst, dass ich recht habe.«
Tränen des Verlustes rannen über Marys Augen. Sie würde John nie wieder sehen, nie wieder so, wie er mal war. Nie würde sie wie Sahira und David bis in alle Ewigkeit mit ihrem Liebsten leben können, denn für sie gab es keinen Liebsten mehr.
»Nun geh«, hörte sie die alte Stimme sagen. »Ich bin müde. Geh, nimm deine Sachen und pass gut auf dich und das Baby in deinem Leibe auf. Nenne es nicht McCorthy, gib ihm deinen Mädchennamen und deine positive Stärke.«
»Baby?«, flüsterte Mary und legte eine Hand auf ihren noch flachen Bauch.
Doch sie bekam keine Antwort mehr.
Sie packte ihre Sachen und reiste ab. Monatelang trauerte sie um ihre Liebe, doch sie hielt durch: Für ihr Kind, das unter ihrem Herzen ruhte. Ihm wollte sie all das geben, zu dem John am Ende nicht mehr in der Lage gewesen war: Gefühl und Liebe.
Sie kehrte nie wieder in das Schloss zurück, noch oft dachte sie an die alte Stimme im Dunklen, an die beiden Liebenden, die Jahrhunderte gemeinsam dort spukten und heute noch dort wandelten. Eine Liebe, die es nur selten gab!
»Hier endet nun meine heutige Geschichte«, sagte der Geschichtenerzähler. Und wie jedes Mal verließ er ohne ein weiteres Wort den Raum und zog sich in seine kleine Kammer zurück. Danach wurde stets viel getrunken und diskutiert. Ich lächelte dann vor mich hin. Nicht wegen des Gewinns, sondern wegen der Magie, die der alte Geschichtenerzähler über die Gäste verstreute.
Hier möchte auch ich nun enden, denn ich bin müde. Meine verknöcherten Finger schmerzen und ich brauche ein wenig Schlaf.
Ich wünsche Ihnen eine angenehme Nachtruhe, vielleicht finden wir uns morgen wieder hier ein und ich erzähle Ihnen eine neue Geschichte, die mir der alte Herr in meinem Pub hinterlassen hat.
Torturen eines Autors
(2003)
Schlimmer als ein offenes Bein, schmerzhafter als Zitronensaft in einer Wunde, furchtbarer als Hunger und Durst, vernichtender als Atemstillstand ist für einen Schriftsteller ein Loch im Gehirn, durch das all die Ideen, die sich entwickeln, unerwartet verschwinden, ohne dass sie zuvor niedergeschrieben wurden.
Ich leide an einem Loch. Nicht zum ersten Mal. Und ich verstehe nicht, wie es schon wieder geschehen konnte. Denn
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