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Im eigenen Schatten

Im eigenen Schatten

Titel: Im eigenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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hervorquoll, als sie ihm das nächste Glas servierte. »Ihr Essen kommt auch gleich.«
    Jo bedankte sich mit einem Lächeln. Er grübelte über die nächste Station seiner Reise. Aus Deutschland musste er raus, das war nach den Radionachrichten klar. Und jetzt schon nach Italien zurückzufahren war keine gute Idee. Zwar mangelte es ihm nicht an Verstecken, wenn er erst einmal in Südtirol wäre, doch nur eine Personenkontrolle unterwegs genügte, und sein Traum vom neuen Reichtum zerplatzte wie eine Seifenblase. Zwischen Rosenheim und Franzensfeste allerdings lag Österreich, eine sichere Bank.
    Während er das Gericht mit großen Bissen verschlang, kam endlich die Erleuchtung. Die Nacht würde er in angenehmer Gesellschaft unter einer Adresse verbringen, wo der einzige Ausweis, den man vorzeigen musste, eine gefüllte Brieftasche war. Geld hatte er genug. Er betastete den dicken Umschlag in der Tasche seiner Jacke, die er trotz der Temperatur nicht abgelegt hatte. Dann bestellte er zufrieden noch ein Weißbier.
    »Durst wird durch Bier erst schön, mein Herr«, sagte die Kellnerin diesmal und trug seinen blankgeputzten Teller ab. Ihre Hände waren vom Gläserspülen gerötet.
    »Da ham S’ sicher recht«, sagte Jo. »Und zahlen tät ich dann auch, bitte.«
    Die Hitze war drückend, als er das Wirtshaus verließ und die Augen wegen der grellen Sonne zusammenkniff. Am Kiosk erstand er zwei Boulevardzeitungen und ein Sportmagazin. Ein paar Minuten später saß er auf dem Rücksitz eines Taxis, dessen Fahrer zufrieden war, als er das Ziel hörte; nach Salzburg waren es achtzig Kilometer, der Tagesumsatz erfuhr eine merkliche Steigerung, schon deshalb, weil der Fahrgast den Preis vorher ausgehandelt und vorgeschlagen hatte, den Taxameter ausgeschaltet zu lassen.
    Eine Stunde später stieg Pixner am Fußballstadion aus und warf die Zeitungen in den Müll. In der UEFA Europaleague zwischen Juventus und Austria Wien hatten die Italiener zu seinem großen Bedauern gewonnen. Und wieder wartete Jo, bis das Taxi sich entfernt hatte, um schließlich den Bus bis zum Südtiroler Platz vor dem Hauptbahnhof zu nehmen, von wo er den Rest des Wegs zu Fuß machte. Nur ein einziges Mal war er bisher in dem Bordell gewesen, trotzdem hätte er mit geschlossenen Augen hingefunden.
     
    Am Grenzübergang Tarvis wurden alle Fahrzeuge von der Südautobahn in den ehemaligen Zollbereich ausgeleitet und von den österreichischen Grenzbeamten kontrolliert. Ein langer Stau hatte sich auch in Gegenrichtung gebildet, wo die Italiener die Reisenden nach Norden überprüften. Ein paar Tage lang war Schluss mit Schengen. Der blaue Audi des Autoverleihers in Pordenone durfte nach einem Blick der Polizisten auf die Papiere der Insassen und in den Kofferraum weiterfahren.
    Die nächste Kontrolle erfolgte zwanzig Kilometer später an der Mautstelle Ugovizza und dauerte länger. Selbst die Fahrspur für die Fahrzeuge mit Telepass, dem elektronischen Abbuchungssystem, war von Polizeikräften abgeriegelt. Den Reisenden in Richtung Norden jedoch wurde noch mehr Geduld abverlangt: Acht Kilometer weit standen die Fahrzeuge Stoßstange an Stoßstange, und viele der Fernfahrer machten sich begründete Sorgen, dass sie ihr Fahrtziel wegen des sich mit jeder Minute nähernden Wochenendfahrverbots nicht mehr erreichen würden.
    Direktor und Einstein, die feuerrote Anita am Steuer, deren großzügiges Dekolleté die Polizisten besser überzeugte als ein Diplomatenpass, und Titti, die zierliche Brünette im Fond, waren bester Laune, obgleich sich die Fahrt hinzog.
    »Ich mache jede Wette«, sagte Einstein, »dass uns auf der langen Geraden vor der Ausfahrt Tolmezzo die nächste Kontrolle bevorsteht, dann spätestens wieder bei der Abfahrt Palmanova, direkt hinter der Mautstelle.«
    »Und dann geht’s im Schrittempo weiter«, hakte der Direktor ein. »In Cervignano werden sie uns rausziehen, in Aquileia ebenfalls und am Ortseingang von Grado erst recht. Will jemand wetten?«
    »Den Aperitif gibst sowieso du aus«, flötete der Rotschopf.
    »Ich kann’s kaum erwarten. In ein, zwei Stunden spätestens. Hängt alles von den Bullen ab. Und vor dem Abendessen machen wir es uns noch ein bisschen bequem, nicht wahr, Kleine.«
    »Eins achtundachtzig, Süßer. Ich werde mich zu dir hinunterbücken.«
    »Warst du eigentlich schon einmal in dem Hotel?«, fragte Titti mit heller Stimme.
    »Nein, aber ich weiß, dass es gut geführt ist. Es gehört einer alten Freundin. Sie wird

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