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Im eigenen Schatten

Im eigenen Schatten

Titel: Im eigenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Lieferwagen von einem Weingut aus dem Friaul hielt hinter dem schwarzen Schrottfahrzeug, konfektionierte Weinflaschen wurden hektisch umgeladen und sackweise Glasscherben darauf verstreut. Zum Schluss landeten noch die krumme Stoßstange des Gefährts und der verbeulte Kotflügel eines anderen Autos auf der Ladung, über die schließlich kanisterweise billigster Weißwein und eine Flasche Grappa gegossen wurden.
    Auf Schrottplätzen war man mehr gewohnt, als alle Drehbuchautoren von Hollywoodfilmen zusammen sich je ausgedacht hatten. Jedes Land und jede Region hatte da andere Eigenheiten, überall jedoch war das Zustandekommen solcher Geschäfte das Produkt einer einfachen Formel: Preis und Zeit. Je rascher sich jemand davon machen wollte, desto höher war der Preis. Das Ausstellen der Transportpapiere im Büro des Schrottplatzbesitzers hatte am längsten gedauert.
     
    Die sieben Schmerzen Mariens, denen die Wallfahrtskirche in Riffian geweiht war, symbolisierten die Entfernung des Sohns von seiner bestürzten Mutter. Angeblich soll bereits der zwölfjährige Jesus von zu Hause ausgebüchst sein, um in einem Tempel bei seinem Vater zu bleiben, von dem niemand wusste, wer er war. Jahre später habe er dann bei einer Hochzeit auch noch unwirsch seine Mutter zurechtgewiesen, nur weil sie ihn darauf aufmerksam machte, dass es an Wein für die Gäste mangle. Der pubertierende Jüngling hatte sich zuerst aufgelehnt, um dann mit einem faulen Zaubertrick anzugeben. Ein komischer Kerl, der später auch noch seine Familienzugehörigkeit leugnete. Seine Mutter fand in ihrem Schmerz nur wenige Worte, wenn man sie nach ihrem Sohn fragte: »Was er euch sagt, das tut.«
    Hätte Johann Wunder vollbracht, dachte der pensionierte Steuerberater, als er auf der Rückfahrt bei der Kirche von der Hauptstraße abbog, wäre das eine gute Beschreibung für ihn. Anton war am späten Nachmittag von Riffian zu seiner Cousine Rosemarie über den Jaufenpass nach Freienfeld hinübergefahren. Als sie mit großen Augen und brüchiger Stimme wissen wollte, weshalb sie ihm Hosen, Hemden und Unterwäsche von Johann geben solle, sagte er nur: »Altkleidersammlung, falls dich jemand fragt. Es ist alles in Ordnung, besser, ich verschwinde gleich wieder. Er kommt dich bald besuchen, bis dahin behältst du es für dich. Und sag auch Sepp, deinem Mann, nicht, dass ich hier war. Man weiß nie.«
    Rosemarie Pixners besorgter Blick hatte sich nur kurz gelichtet, dann war sie wie befohlen ins Zimmer des verlorenen Sohnes gegangen und wenig später mit einer vollgestopften Reisetasche zurückgekommen.
    »Geht es ihm wenigstens gut?«, fragte sie verzagt.
    »Er grunzt wie eine junge Sau, Rosi. Warts ab.«
     
    »Carabinieri, aprite subito la porta o la scassiamo con forza. Non c’è via di fuga. Avete trenta secondi.«
    Es war kurz nach sieben und draußen herrschte Nieselregen, in der Küche flimmerte der Fernseher mit dem Morgenmagazin des österreichischen Fernsehens. Die schwere Haustür bebte unter den kräftigen Faustschlägen, und die Rufe, mit denen die Carabinieri umgehend Einlass forderten oder die Tür einzurammen drohten, waren so entschieden, dass Anton Pixner der Becher mit dem Filterkaffee aus der Hand fiel und die heiße Brühe sich über das linke Hosenbein ergoss. Er sprang auf, rüttelte Jo aus dem Schlaf und befahl ihm, seine Klamotten einzusammeln und in die versteckte Kammer zu laufen.
    »Ich komm ja schon, lasst die Tür ganz, ich muss mich erst anziehen«, rief er dann und richtete eilig das noch warme Bett. »Non scassate la porta, arrivo subito, mi sono appena alzato!«
    Polternden Schritts stürmte Anton Pixner die knarrende Holztreppe hinab und durch den langen Flur. Leise fluchte er vor sich hin, während draußen noch immer gegen die Tür gepoltert wurde. Dann zog er die Riegel zurück, mit denen er sie verrammelte, seit Johann bei ihm aufgetaucht war. Normalerweise schloss er das Haus nicht einmal ab, wenn er zum Einkaufen hinunter ins Dorf oder nach Meran fuhr. Hier lebte man noch unbekümmert und fast wie in früheren Zeiten, wenn man vom Flachbildfernseher und dem Internetanschluss einmal absah. Eines aber stand fest, den Arschlöchern da draußen würde er den Marsch blasen. Wütend riss er die Tür auf, doch anstatt der Uniformierten stand lediglich eines seiner Villnösser Brillenschafe angepflockt vor ihm.
    »Oschpelemuggn, Porcodio, Herrgott nou amol eini«, schimpfte Anton Pixner und schaute aufgebracht am Haus entlang,

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