Im eigenen Schatten
Ofen legen. Gestern noch Hochsommer und heut eine solche Brühe. Das Klima ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Dafür wird wohl kaum jemand heraufkommen, um euch zu suchen. Da bleiben selbst die Bullen lieber im Warmen. Trotzdem, ihr kennt das Versteck, macht mir keinen Kummer. Ich leg mich wieder hin, am Nachmittag muss ich zu einem Kunden nach Bozen. Und denkt dran, wenn ihr Scheiße baut, bin ich mit dran.«
»Du musst mir nicht jedes Mal unter die Nase reiben, dass du die Chefin bist, meine Liebe«, sagte Galimberti säuerlich. »Und schon gar nicht in Gegenwart anderer. Was soll dieser Laurenti von mir denken? Bei den Typen hilft nur Entschiedenheit. Von Anfang an. Nicht die geringsten Fortschritte hat er bei seinen Ermittlungen gemacht, dafür stiftet er hier Unruhe.« Wütend strich er sein Haar zurück und ließ sich in den Le-Corbusier-Sessel fallen.
»Wie ich mit den Menschen rede, kannst du ganz mir überlassen. In Anbetracht dessen, dass die Sprengstoffanalyse erst seit Freitag vorliegt, legt er sich eifrig ins Zeug. Wir haben doch nichts zu verbergen. Und ich will wissen, wer Franz auf dem Gewissen hat. Wozu dieses unnötige Kräftemessen mit einem Polizisten?«
»Das ist ein rein genetisches Problem. Ein Bulle erwartet nichts anderes von einem Rechtsanwalt.«
»Den Stil im Hause bestimme ich. Dazu gehört auch, dass du und kein anderer der Anwalt des Unternehmens bist. Ohne mich würdest du immer noch kleine Gauner verteidigen.« Donna Rita stand am Fenster neben ihrem Schreibtisch und blickte hinaus auf die schilfbedeckte Tiefebene, die sich zur Isonzo-Mündung erstreckte.
»Ich weiß, was ich dir zu verdanken habe, schließlich zahle ich es dir täglich zurück. Auch ich habe viel für die Firma getan.«
»Lass das, dafür streichst du Honorar ein. Wo treibst du dich eigentlich ständig rum? Ich dulde weder Heimlichtuerei noch deine ständigen Eskapaden, Ernesto. Hast du verstanden?«
»Also bin ich entlassen, Donna Rita?« Galimberti zog einen imaginären Hut. »Als Anwalt oder als Liebhaber? Vergiss nicht, dass ich verheiratet bin, trotzdem beharrst du darauf, jeden meiner Schritte zu kennen.« Er stand auf, warf sich das Jackett über die Schulter und wandte sich zum Gehen. »Außerdem habe ich noch andere Mandanten, die mich brauchen. Ich bin nicht nur der Firmenanwalt der Spechtenhausers, sondern noch immer Strafrechtler. Ich weiß übrigens, dass du meine Post liest.«
Kurz nachdem Laurenti abgezogen war, hatte Galimberti die Nachricht seiner Kanzlei erreicht, dass zwei Klienten ihn dringend suchten. Während des Telefonats hatte er Donna Ritas Büro verlassen und war auf den Flur hinausgegangen, wo ihm niemand zuhörte. Er ahnte schon, dass es nur die Pixner-Brüder sein konnten. Vermutlich hatten die beiden sich, wie schon in früheren Fällen, in den Bergen verschanzt. Der Anwalt hatte seiner Sekretärin die Anweisung gegeben, die Pixners bis Donnerstag zu vertrösten. Wenn er wieder in Bozen sei, könne er sich um sie kümmern. Nur schnappen lassen sollten sie sich nicht. Solange sie sich auf freiem Fuß befänden, lasse sich besser mit dem Staatsanwalt verhandeln.
»Ich, deine Post?«, protestierte Donna Rita. »Deine Mandanten interessieren mich nun wirklich nicht. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.«
»Geschwätz.« Galimberti ging zur Tür.
»Du hast von dem Transport gewusst. Das Fax, das Franz mir geschickt hatte, lag verkehrt herum auf meinem Schreibtisch. Du hast es gelesen.«
»Und vermutlich auch das Gold gestohlen.« Der Anwalt schnitt eine Grimasse. »Warum hast du es nicht diesem Bullen erzählt, wenn du davon so überzeugt bist? Du bist lächerlich, Rita. Ich hoffe, dein Anfall legt sich rasch wieder.«
»Wo willst du hin?«, fragte Donna Rita, als Galimberti bereits die Türklinke in der Hand hielt.
»In die Thalassotherapie, meine verehrteste Chefin. Ich nehme eines der berühmten Sandbänder in der Therme. Das tut den Gliedern gut, und anschließend kann ich dir bestens zu Diensten sein, in jeder Hinsicht. Aber ich weiß noch nicht, ob ich zum Abendessen zurück bin. Du gestattest, dass ich gehe?« Bevor Donna Rita antworten konnte, war er schon zur Tür hinaus.
Unmöglich, dass sie von seiner Affäre mit Trudi wusste. Wenn man das überhaupt als Affäre bezeichnen konnte, es ging nur um Sex. Wenn er alle paar Wochen einmal aus Südtirol nach Triest oder Grado kam, vögelten sie zusammen wie die Götter, weil es eben kein
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