Im eigenen Schatten
Messer geliefert. So viel in Sachen Konsequenz. Dank Professor Moser verdiente er mit der Sonar Communications einen Haufen Geld, das er nicht gebraucht hätte. Und das genügte ihm noch immer nicht. Er begann damit, Leute, die weniger wendig waren als er, systematisch in Notlagen zu bringen und dann zu enteignen.«
»Ihr Vater hat Geld verliehen und es wieder eingetrieben?«
Nicks Augen flackerten wütend. »So werden es die Zwillinge erzählt haben. Die Wahrheit aber ist, dass er aus Habgier und Machtstreben Menschen gezielt ins Elend getrieben hat. Mit dem Unglück anderer hatte schon sein Vater Geld verdient. Wieder ein Beweis, dass konsequent zu sein eine miserable Eigenschaft ist. Ich bin genau das Gegenteil und werde niemals auf dieses Spiel einsteigen, verstehen Sie?«
Der alte Spechtenhauser war Laurenti zu Lebzeiten sympathischer gewesen als sein Sohn, der jede Verantwortung vehement von sich schob. Vor Gericht gäbe es dafür vielleicht mildernde Umstände, wenn der Richter weichherzig war oder selbst eine gestörte Kindheit hinter sich hatte. Aber wie konnte man sich selbst so ertragen?
»Sind Sie ihm wirklich so unähnlich? Oder mögen Sie den italienischen Teil Ihrer Familie aus genau den gleichen Gründen nicht, die die Basis der politischen Karriere Ihres Vater bildeten?«
»Schwachsinn, Commissario. Ich habe nichts gegen Italiener. So wenig wie gegen Deutsche oder diese Bangladescher und Singhalesen in Monfalcone. Mir ist es scheißegal, woher jemand kommt. Politik interessiert mich nicht, Reichtum muss verteilt werden.« Schweiß trat auf seine Stirn, er zog die Nase hoch. Entzugserscheinungen? »Aber wer anderen etwas antut, muss dafür geradestehen. Bei uns sind stets alle so davongekommen. Bis es den Alten eben erwischt hat.«
»In welchem Verhältnis stehen eigentlich der Anwalt und Ihre Mutter?«
»Meine Mutter ist das Herz des Imperiums, das haben Sie sicher schon von ihr selbst erfahren. Mit meinem Vater ist sie immer in allen Entscheidungen einig gewesen. Nach der Trennung wurde ihr Verhältnis sogar noch besser. Galimberti ist seit fünfzehn Jahren ihr Stallhase, sie hat ihn auch zum Firmenanwalt gemacht. Davor ist er lediglich ein windiger Strafverteidiger gewesen, der an ein paar gescheiterten Existenzen verdiente. Er hat sich einen Namen damit gemacht, dass er ein paar dreiste Räuber verteidigte, und ist durch die Presse gegangen, weil einer seiner Mandanten, der wegen schweren Subventionsbetrugs und Steuerhinterziehung im Knast saß, nach zwei Jahren Isolationshaft auspackte und damit einen politischen Erdrutsch auslöste. Die Kanzlei konnte Galimberti nur dank der Hilfe meiner Mutter ausbauen. Wie sie sich kennenlernten, entzieht sich meiner Kenntnis. Sie gehen zusammen aus, fahren in Urlaub, aber sie wohnen nicht zusammen. Pro forma ist Galimberti noch immer verheiratet.«
Fünfzehn Jahre waren die beiden schon zusammen? »Und wie stand Ihr Vater dazu?«
»Ihm war das nur recht. Ruhe an der Heimatfront erhöht die Schlagkraft bei Feldzügen. Das Anwaltshonorar hat er ohnehin von der Steuer abgesetzt, meine Mutter war auch zufrieden und hatte diesen Winkeladvokaten fest im Griff.«
»Wie stehen Sie zu ihrem Stiefvater?«
»Galimberti hat mich schon zweimal wegen unerlaubten Drogenbesitzes rausgehauen.« Nick war die Provokation offensichtlich entgangen. »Sie wissen dies sicher längst aus der Datenbank. Ich mache keinen Hehl aus meinen Fehlern, wie Sie gemerkt haben.«
»Und Ihr Großvater hat Nazis versteckt?«
Nick winkte lachend ab. »Kalter Kaffee. Der ist doch schon vor dreißig Jahren verstorben. Das ist zwar auch kein Ruhmesblatt für die Familie, aber mit Ihrem Mordfall hat es nichts zu tun.«
»Wenn Sie sich die Mühe machen wollten, mir den Gang in die Archive zu ersparen, wäre ich dankbar, Herr Spechtenhauser.«
»Eichmann, Mengele, Priebke, Hass, Stangl, von Epp, Schacht und die ganzen anderen.« Nick schlug wütend auf den Tisch. Eine Speichelblase hatte sich in seinem rechten Mundwinkel gebildet. Seine Finger trommelten nervös auf die Tischplatte. »Südtirol war ein Eldorado für Naziverbrecher. In enger Abstimmung mit dem Vatikan, bevor sie nach Südamerika oder nach Palästina ausgeschleust wurden. Man lebte gut vom Menschenhandel. Keine alliierten Besatzer, die Schweiz war nah, wo diese Schweine ihr Vermögen gebunkert hatten. Und an hilfsbereiten Bürgern mangelte es auch nicht. Meine Vorfahren haben einen großen Gasthof in Meran geführt, in dem
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