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Im eigenen Schatten

Im eigenen Schatten

Titel: Im eigenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Verhältnis war, bei dem man unablässig Gefühle vortäuschen oder sich gar rechtfertigen musste. Sein Herz hing so wenig an Spechtenhausers Tochter wie ihres an ihm. Doch jedes Mal fielen sie sofort wie die Raubtiere übereinander her. Donna Rita war eifersüchtig auf alle und alles, auch auf die beiden Männer, mit denen er sich für sechzehn Uhr dreißig zur Sandkur verabredet hatte. Niemals aber hob sie ihre Stimme oder verlor die Fassung. Wenn sie Ernesto Galimberti einmal zurechtwies, sprach sie noch leiser als gewöhnlich. Andererseits verzieh sie ihm, sobald sie ihn brauchte.
    Schon Hippokrates, Herodot, später der griechische Arzt und Anatom Galenos und nach ihm Plinius der Jüngere hatten die Heilkräfte der Kur in einem Bett aus heißem Meersand gerühmt. Und so wie in der Antike wurde sie noch heute im Badeort Grado praktiziert. Berühmte Sportler kamen zur Therapie frisch verheilter Knochenbrüche und Prellungen, andere versuchten, die Folgen schwerer Unfälle damit in den Griff zu bekommen. Sand war nicht Sand. Hier wurde er aus der Tiefe des Meeres geholt und war reich an Salz und Mineralien. Dank der Südausrichtung der Anlage erwärmte er sich bis auf sechzig Grad Celsius, bevor er zur Anwendung abgehoben wurde.
    Als Galimberti vom Therapeuten zu seinem Sandbett geführt wurde, ragten die Köpfe von Einstein und Direktor bereits aus ihren Ruhestätten heraus. Ein Stück weiter war eine junge Frau begraben, die eine große Sonnenbrille trug sowie ein zum Turban verknotetes Handtuch. Sie war die erste der vier Patienten gewesen, die im heißen Sand verschwanden. Die Wärme linderte zwar die Schmerzen an ihrer Schulter, doch entspannen konnte sie sich nicht. Den rothaarigen Direktor hatte sie an seinem Feuermal erkannt.
    »Die Kalbsköpfe haben sich also gemeldet?«, fragte Einstein, kaum dass auch der Anwalt begraben war.
    »Sie verstecken sich in den Bergen. So, wie ich die beiden kenne, dauert es nicht lange, bis man sie ergreift. Ist die Weinlieferung zugestellt worden.«
    »Die Wege des Herrn sind unergründlich«, raunzte Einstein.
    »Niemand wird lange Durst leiden, wenn die Außenstände rasch beglichen werden«, säuselte der Direktor. »In einer Stunde haben wir Gewissheit, dass er gut eingelagert ist. War ganz schön aufwendig, die Importgenehmigung zu bekommen. Nicht jeder Zöllner weiß, was Ribolla Gialla ist.«
    »Ihr habt euch nicht an die Abmachungen gehalten, Freunde. Anderes Lieferdatum und nicht in unterschiedliche Keller.«
    »Eine Vorsichtsmaßnahme, sonst nichts.«
    »Ich hoffe für euch, dass ihr kein schmutziges Spiel treibt. Der Arm meines Kunden ist lang, er findet euch auf der ganzen Welt.«
    »Warum regst du dich auf, Ernesto«, fragte Einstein versöhnlich. »Ohne uns hättest du es nie geschafft. Es ist ganz gut so, dass wir die halbe Lieferung in Händen haben, bis du uns ausbezahlt hast. Wichtig ist nur, dass die beiden Kalbsköpfe vorher nicht zum Metzger geführt werden. Also beeil dich. Hier ist nicht nur der Sand heiß.«
    »Ihr habt die Vereinbarungen gebrochen, nicht ich.« Der Anwalt blinzelte heftig, seine Augen brannten vom Schweiß, der von seiner Stirn tropfte.
    »Wir ändern sie, wann wir wollen, wenn die Situation dies erfordert, kapiert?« Der Direktor schnitt eine abschätzige Grimasse. »Die Helfer bei der Weinlese warten übrigens ungeduldig auf ihre Erfolgsprämie.«
    »Und wir noch ungeduldiger auf unsere«, knurrte Einstein.
    »Die Ware muss zuerst zu Geld gemacht werden«, protestierte Galimberti.
    »Dann musst du eben um Vorkasse bitten. Morgen Nachmittag fünfzehn Uhr, elektronische Gutschriften gehen im Handumdrehen. Sonst werden wir den Wein allein trinken. Du hast die Wahl, Wein oder Wasser.«
    »Ich werde mit meinem Kunden sprechen. Mit welcher Spedition habt ihr die Ware verschickt?«
    »Schrott & Co.« Der Direktor lachte auf. »Ein japanischer Kleinbus.«
    »An welche Adresse?«
    »Istrien«, sagte Einstein zweideutig. »Die genaue Anschrift erfährst du erst, wenn unsere Bank grünes Licht gibt.«
    »Wer hat dir das Leben in Tolmezzo erleichtert, Unterberger?« Galimberti erhob sich und schüttelte den Sand ab, bevor die Zeit abgelaufen war.
    »Dafür hast du Honorar kassiert, Herr Rechtsanwalt. Zeit, dass du dich bewegst. Wenn wir auffliegen, bist du mit dran.«
    »Weshalb wohl haben wir dich auf deiner normalen Nummer angerufen? Die Telefongesellschaft hat sie gespeichert. Nur für den Fall, dass sich jemand dafür interessieren

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