Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im eigenen Schatten

Im eigenen Schatten

Titel: Im eigenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
Vom Netzwerk:
solche Leute gefahrlos absteigen konnten, und dem familieneigenen Marmorbruch in Laas kamen diese Verbindungen später geschäftlich zugute. Stein, der in der ganzen Welt begehrt ist, weißer als der von Carrara. Verstehen Sie jetzt? Dies aber mit dem Mord an meinem Vater in Verbindung zu bringen, halte ich für Zeitverschwendung.«
    Nikolaus Spechtenhauser warf gleichgültig einen Zwanzig-Euro-Schein auf den Tisch, nahm seinen Helm, die Handschuhe und stand auf. Ohne ein Wort des Grußes zu verlieren, ging er zu seiner Maschine.
    Laurenti warf einen Blick auf die Uhr. In zwei Stunden wurde er zu Hause erwartet, und davor hatte er noch ein volles Programm zu bewältigen. Er stellte das Blaulicht aufs Autodach und schaltete die Sirene ein.

Wechselnde Winde
     
    Abgesehen vom Schwerlastverkehr und den Millionen Lieferwagen aus Osteuropa verstopften auch Autotransporte die A4. Fabrikneue Fahrzeuge deutscher, französischer und italienischer Hersteller, in den Billiglohnländern der Europäischen Union produziert, wurden nach Westen transportiert. Unfallautos, altersschwache Kisten oder gar schrottreife Pkw gingen auf kleineren Transportfahrzeugen mit Kennzeichen aus Albanien, Serbien, Kroatien, Ungarn, Rumänien oder der Ukraine in die Gegenrichtung, wo findige Mechaniker aus Schrott wieder taugliche Fahrzeuge schufen.
    Am Montag um 17 Uhr 55 lenkte der Fahrer einen Transporter kroatischer Herkunft, der mit vier Unfallfahrzeugen beladen war, an der Mautstelle der mittelalterlichen Festungsstadt Palmanova auf die A4. Kurz zuvor hatte er auf einem Schrottplatz neben dem Outlet-Village einen schlammverdreckten schwarzen Lieferwagen zugeladen, dessen Dach eingedrückt und die Windschutzscheibe zerborsten war. Das Ding musste sich mindestens einmal überschlagen haben, die Hecktüren waren an den Griffen mit Draht zugebunden, und aus dem Innenraum wehte der Gestank von verschüttetem Wein und Schnaps. Den Fahrzeugbrief, das Unfallprotokoll der italienischen Polizei sowie die Transportpapiere hatte man dem Fahrer gegen Entrichtung der Stellplatzgebühr ausgehändigt. An der Grenze würden die Dokumente aller vier Fahrzeuge kontrolliert werden, die er kurz darauf bei einer Mechanikerwerkstatt vor der istrischen Kleinstadt Buje abliefern sollte. Wenn der richtige Beamte am Grenzübergang Dienst tat, ginge die Abfertigung schnell. Zwei grüne Scheine lagen für den Zöllner unter dem obersten der Dokumente. Für gewöhnlich entfernte er sich ein paar Schritte und drehte den Kollegen den Rücken zu, nachdem er die Papiere entgegengenommen hatte, um sie zu überprüfen. Unwahrscheinlich, dass jemand einen Blick in die Fahrzeuge werfen würde, erst recht nicht in den Lieferwagen, dessen Ladung fast vollständig beim Unfall zerstört worden war. Siebenundsechzig Holzkistchen zu je einer Flasche Weißwein von Spechtenhausers Gut im Collio waren unter einer dicken Schicht Glassplitter verschüttet.
    Einstein war den Vormittag damit beschäftigt gewesen, den Transport zu organisieren. Die Zeit drängte nach dem Zwischenfall in der Nacht, bei dem sie nur vierundfünfzig Kisten der Beute auf den Kutter verladen konnten. Mit knapp der Hälfte des Goldes hatte dieser internationale Gewässer erreicht, bevor das Brummen der Schnellboote der italienischen Behörden die Stille der Nacht durchbrach. Einstein und der Direktor hatten die beiden Lieferwagen zurück in die Scheune bei Fossalon gebracht, in der sie seit Freitag hinter Strohballen versteckt gestanden hatten. Nur dreihundert Meter hinter dem Hof Spechtenhausers.
    Den Rest der Nacht hatten die beiden Bosse im Auto auf dem Hotelparkplatz gesessen und sich den Kopf über das weitere Vorgehen zermartert. Der Asphalt neben dem Audi war mit Kippen übersät. Bei der ersten Dämmerung hatten sie eine denkbare Lösung ausgearbeitet. Aus Italien hinaus würden sie es so sicherlich schaffen, und die Slowenen kontrollierten höchstens die Autobahnvignetten, um mit saftigen Bußgeldern die marode Staatskasse aufzubessern. Am Grenzübergang Kastel nach Kroatien schließlich zählten Anreiz und Anschein. Glaubwürdigkeit war ein Kinderspiel, wenn man sein Gegenüber einschätzen konnte.
    Die vier Fahrzeuge auf dem Transporter hatten sie über Marktwert bezahlt. Der Schrottplatzbesitzer hatte keine Fragen mehr gestellt, nachdem er die Quittungen nur über einen Bruchteil der ausgehandelten Summe ausstellen durfte. Und er scherte sich auch keinen Deut darum, was nun mit den Autos passierte. Ein

Weitere Kostenlose Bücher