Im eigenen Schatten
mich.«
Es war neunzehn Uhr dreißig, als Laurenti vor der Questura parkte und schnurstracks zur Kriminaltechnik lief, wo er die vier Gläser ablieferte. Zu jedem einzelnen nannte er den Namen: Galimberti, Gertraud, Magdalena, Donna Rita. Und einer der beiden Kriminaltechniker sollte schleunigst die Abdrücke vom Dach seines Dienstwagens nehmen, an dem sich Nikolaus Spechtenhauser aufgestützt hatte.
Der Himmel war pechschwarz, und aus der Ferne drang bedrohliches Donnergrollen. Laura hatte schon zweimal angerufen und gefragt, wo er stecke, die Gäste seien schon eingetroffen. Laurenti versprach, Blaulicht und Sirene einzuschalten, damit sie nicht länger warten müssten.
Angerichtet, aufgetischt, abserviert
»Was ist los, hast du Kummer?« Sie ließ sich enttäuscht auf die Matratze gleiten.
Der Regen trommelte gegen die große Fensterscheibe. Das Meer in der Bucht von Duino war nur unter den Blitzen zu erkennen. Gertrauds helle Haut schimmerte in dem gedimmten Licht der großen Stehlampe in ihrem Schlafzimmer.
»Mach’s dir selbst, dann macht’s dir Gott.« Galimberti bedeckte sich mit dem Laken. »Von wegen Stress und Sorgen. Einfach zu viele Idioten um mich herum.« Er griff nach dem halbleeren Glas, das auf einem niedrigen Tisch bei der Pizza stand, die er mitgebracht hatte.
Ernesto hatte einen Bärenhunger vorgeschoben, als er ankam. Trudi hatte eine Flasche aus dem Kühlschrank geholt und zwei Gläser ins Schlafzimmer getragen und die Träger ihres Negligés über die Schultern gleiten lassen, bevor sie sich aufs Bett fallen ließ. Galimberti war nichts anderes übriggeblieben, als sich zu ihr zu gesellen. Trudi hatte einen Faden Olivenöl Extra Vergine über die Pizza gegossen, ein Stück aus dem warmen Teigfladen gerissen und auf seinen Bauch gelegt. Ihr Haar kitzelte ihn, während sie einen Bissen nahm. Als sie die Reste ableckte, verspürte er ein kurzes Aufflackern der Begierde, doch Trudi entkorkte die Flasche und schenkte ein. Warum hatte er den Besuch nicht abgesagt?
»Ein schlechter Tag heute, verzeih«, sagte Galimberti, ließ seine Finger über ihre Schulter gleiten und zündete eine von Trudis Zigaretten an, obwohl er nur selten rauchte. Er nahm einen Zug und hustete. »Nicht mal das geht heute«, fluchte er.
»Probleme mit dem Nachlass meines Vaters oder mit deiner Kanzlei in Bozen?« Trudi streckte die Hand nach ihm aus.
»Ein paar alte Mandanten nerven entsetzlich. Und Rita auch.«
»Was hat sie denn, die Arme? Du vernachlässigst sie doch hoffentlich nicht meinetwegen?«
»Sie hat mir wieder einmal eine ihrer Eifersuchtsszenen gemacht.«
»Sie ist uns doch nicht auf die Schliche gekommen?«
»Nicht auszudenken, wenn es so wäre. Wir müssen höllisch aufpassen. Ständig fragt sie, wohin ich gehe, wen ich treffe. Besser, ich lasse sie heute nicht allzu lange warten, und besser, wenn wir uns diesmal nicht nochmal sehen. Übermorgen fahren wir sowieso wieder nach Bozen. Ich würde lieber hierbleiben und den ganzen Tag mit dir zusammen sein und aufs Meer hinausschauen.«
»Red keinen Mist, Ernesto.« Sie hatte einen Kimono aus nachtblauer Seide übergeworfen, stand vor der Glaswand, blickte auf das gewitterschwarze Meer hinaus und kehrte ihm den Rücken zu. »Dusche, bevor du gehst.«
Proteo Laurenti war vom Parkplatz die Stufen an der Steilküste hinuntergerannt, als der Himmel seine Schleusen öffnete. Auf halbem Weg fiel ihm ein, dass er das Geschenk für Laura auf dem Rücksitz vergessen hatte. Marietta hatte im Büro eine rote Schleife um die Reisekataloge gebunden. Zähneknirschend machte er kehrt und rannte keuchend die lange Treppe wieder hinauf. Nur wegen Lauras Geburtstag kam er nicht trockenen Fußes nach Hause. Seine Haare klebten an der Stirn, das Jackett war durchnässt, und er konnte sich nicht einmal abtrocknen, denn voll ausgelassener Fröhlichkeit eilte sie ihm entgegen, küsste ihn und zog ihn engumschlungen in den Salon. Auf einem Tisch lagen die Geschenke, die sie erst nach dem Abendessen auspacken würde.
Mit einem Blick erfasste der Commissario die Situation. Außer der Schwiegermutter, seiner immer hübscher werdenden Tochter Livia, seinem dämlich grinsenden Sohn Marco, der eine Kochmütze trug und sicherlich bereits mehr als nur einen Joint geraucht hatte, sah er den alten Gerichtsmediziner in Begleitung der wie ein Hefeteig aufgegangenen russischen Exballerina Raissa. Wo hatten sie den Hund gelassen? Ein paar sympathische Nachbarn bildeten ein
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