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Im Fadenkreuz der Angst

Im Fadenkreuz der Angst

Titel: Im Fadenkreuz der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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nicht verpfeifen!
    Das ist kein Verpfeifen. Das FBI weiß sowieso schon alles. Und wenn nicht, finden sie es raus. Du kannst ihnen gar nichts Neues sagen.
    »Hör auf! Ich will das nicht!« O Gott, das habe ich laut gesagt.
    Der Mann stürzt sich auf mich. »Wenn du was weißt und nichts sagst, dann Gnade dir Gott. Hast du michverstanden? Wenn deinetwegen Menschen sterben, kommst du wegen Beihilfe zum Mord vor Gericht.«
    »Was?«
    Er drückt meine Schultern zusammen. »Du hast gehört, was ich gesagt habe, Sami. Du wirst den Rest deines Lebens im Gefängnis verbringen.«
    Rette dich!
    Der Mann wirbelt meinen Stuhl herum. Packt meine Arme mit beiden Händen. Steckt mir seine Nase ins Gesicht. Heißer Atem, riesige Poren. »Los, spuck’s aus, aber hopp!«, brüllt er. »Wo ist Tariq Hasan?«
    »Tariq Hasan? Wer ist Tariq Hasan?«
    Der Mann blinzelt nicht einmal. »Spiel hier nicht den Dummen.« Sein Kopf ist groß und knochig, die Wangen sind hohl, das Haar so kurz geschoren, dass es eigentlich eine Glatze ist. Ich müsste zittern, aber das kann ich nicht. Ich bin zu Eis erstarrt.
    Der Mann löst den Griff um meine Arme, schnappt sich den Stuhl, der hinter ihm steht, dreht ihn herum zwischen seine Beine und hockt sich drauf. Er ist älter, als er aussieht. Das sehe ich an den Adern auf seinem Handrücken und der Haut unter seinem Kinn. Eins ist klar: Er ist wichtig. Er ist nicht wie die anderen. Nein, der hier trägt Jackett und ordentliche Hosen.
    Er beugt sich vor. »Ich habe dir eine Frage gestellt, Sami«, sagt er ruhig. »Ich möchte sie nicht noch einmal stellen müssen. Wo ist Tariq Hasan?«
    »Ich weiß nicht, wer das ist. Echt nicht.« Meine Stimme hat so wenig Gewicht, dass sie durch die Decke schweben könnte.
    Der Mann streckt seinen Arm der Frau entgegen. Sie reicht ihm eine Mappe. Er nimmt sie, ohne hinzusehen, zieht ein Foto raus und hält es mir vors Gesicht.
    Eine Straßenszene. Der Typ in der Mitte des Bildes ist Anfang zwanzig. Er lehnt an einer Wand zwischen einem Fenster und ein paar Betonstufen, trägt ein lockeres, langärmeliges Hemd, das ihm bis auf die Oberschenkel reicht und zu den bauschigen Hosen passt, die am Knöchel zugezogen sind. Oh, und er hat einen Dreitagebart, eine Gebetskappe auf dem Kopf, Sandalen an den Füßen und er lächelt. Vielleicht sieht er einen Freund. Vielleicht denkt er an einen Witz. Oder vielleicht lächelt er einfach öfter.
    »Das ist Tariq Hasan?«
    »Kennst du ihn unter einem anderen Namen?«, fragt die Frau.
    »Ich kenne ihn überhaupt nicht.«
    Der Mann blickt direkt durch mich durch. Er hat immer noch nicht geblinzelt. Ich wundere mich, dass seine Augäpfel keine Risse haben. Aber selbst das würde er nicht merken. Er ist eine Maschine, jemand, der trotz eines kaputten Ellbogens einarmig Liegestütze macht. Ob er eine Frau hat? Kinder? Was würde er wohl tun, wenn bei ihm mitten in der Nacht Fremde ins Haus stürmen, seine Frau in ein Zimmer sperren, seinen Sohn im Souterrain festhalten und ihm die Hölle heißmachen würden?
    Er steckt das Foto zurück in die Mappe und holt ein anderes hervor. »Guck dir das an.«
    Es ist eine Nahaufnahme von Hasans Kopf. Hasanguckt nach oben, vielleicht zu einem Fenster hoch oder so. Oder er genießt die Sonne. Um den Rand seiner Kappe und um seine Ohren kringeln sich dunkle Locken. Er lächelt immer noch. Ich wünschte, ich hätte so schöne Zähne wie er. Ich hätte garantiert Freundinnen ohne Ende.
    »Nein.« Ich schüttele den Kopf. »Den habe ich noch nie gesehen.«
    »Ach ja?« Der Mann sagt das so, als hätte ich einen Fehler gemacht. Ich gucke das Bild noch einmal an. Und noch mal. Aber ich habe ihn wirklich noch nie gesehen, niemals. Aber wenn doch, und ich erinnere mich nur nicht? Also, wenn er zum Beispiel bei uns in der Moschee war? Oder er arbeitet in Dads Labor und ich bin ihm mal an einem dieser bescheuerten Zeig-deinem-Kind-wo-du-arbeitest-Tage begegnet?
    Ich schlucke. »Nein, ich glaube, ich habe ihn noch nie gesehen.«
    Der Mann spielt mit der Zunge an seinen Zähnen herum, als steckte irgendwas dazwischen. »Also, du
glaubst
, du hast ihn noch nie gesehen.«
    Lüge ich? Was kann ich sagen, damit sie uns in Ruhe lassen und abhauen?
    »Vielleicht war er schon mal hier im Haus?«, legt mir die Frau in den Mund.
    Ich schaue zu ihr hinüber, sehe sie zum ersten Mal. Hosenanzug. Flache Schuhe. Breite Wangen. Schwarze Haare, mit Haarfestiger zu einem Helm getürmt.
    »Nein«, sage ich. »Ehrlich. Der war nie

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