Im Fadenkreuz der Angst
hier.«
Warum glauben die mir nicht?
»Was hat Hasan denn getan?«
»Es geht nicht darum, was er getan hat, sondern darum, was er tun will.«
»Und das wäre?«
Die beiden starren mich eiskalt an.
»Bitte«, sage ich vorsichtig. »Hat das was mit Toronto zu tun?«
Keine Antwort. Also hat es das.
Ich hole tief Luft. »Na gut. Dad ist zu einer Sicherheitskonferenz nach Toronto gefahren. Das wissen Sie doch, oder? Aber Sie wissen nicht, dass er mich eigentlich mitnehmen wollte. Aber das hat er nicht gemacht, wegen einer Frau. Ich glaube, er hat eine Affäre. Sicher weiß ich das nicht, wirklich nicht. Aber das ist ja auch egal, das geht nur meine Mutter und meinen Vater was an – und niemanden sonst. Selbst wenn da was gewesen sein sollte, mit diesem Tariq Hasan hat Dad nichts zu tun und auch nicht mit Leuten, die umgebracht werden sollen, oder sonst was. Er kennt diesen Hasan nicht mal, Ehrenwort. Also, ich glaube, das ist alles ein Irrtum. Okay?«
Der Mann reckt die Arme. Schweißgeruch steigt in meine Nase. Der Mann greift in die Mappe und hält mir drei weitere Fotos hin.
Das obere: Wieder Hasan. Das Lächeln ist weg. Er guckt wütend.
Das mittlere: Hasans Augen sind verdeckt. Er gibt einem Mann die Hand, der nur von hinten zu sehen ist.
Das untere: Der zweite Mann hat sich umgedreht, er wirkt aufgeregt.
Es ist Dad.
19
Die FB I-Agenten nehmen mich in die Mangel. Stellen Fragen über Dad, seine Arbeit, wollen wissen, wen er kennt, was er tut. Ich höre kaum ein Wort. Meine Gedanken sind immer noch bei dem letzten Foto. Und dabei sage ich Sachen wie: »Dad schüttelt jemandem die Hand, na und? Was soll er getan haben? Was?«
Zigarrenmief und Helmfrisur geben keine Antworten. Feuern nur noch mehr Fragen ab, wie Salven auf einem Schießstand. Frage, Frage, Frage …
Plötzlich bekomme ich fürchterliche Angst. Wenn sie Mom nun auch mitgenommen haben? Wenn die FB I-Leute weg sind, wie soll ich dann Mom finden. Oder Dad?
Oder wenn … O Gott … ein Albtraum, schlimmer als der schlimmste Albtraum …
»Wir sind Amerikaner«, platze ich raus. »Sie können Mom und Dad nicht einfach in ein Flugzeug setzen. Sie können Sie nicht in ein Lager schicken, wo sie gefoltert werden.«
»Beantworte die Frage!«, brüllt Zigarrenmief.
»Welche denn?«
»Zum Labor. Was hat dein Vater vom Labor mit nach Hause gebracht?«
»Nichts. Woher soll ich denn das wissen?«
»Du wohnst hier. Du siehst, was er tut.«
»Nein.«
»Raus mit der Sprache.«
»Erst müssen Sie mir sagen: Wo ist mein Vater?Wo ist meine Mutter? Was haben Sie mit ihnen gemacht?«
Und plötzlich kann ich weder sehen noch hören oder denken und ich will aufstehen, nur funktionieren meine Beine nicht, nichts funktioniert, und ich kann nichts tun, und in dem Moment merke ich, dass die Fragerei aufgehört hat, dass die Frau ihren Arm auf den des Mannes gelegt hat, und dass mich beide anstarren und warten, bis ich aufhöre zu schluchzen, mich beruhige und …
»Wir wissen, dass du ein guter Junge bist, Sami«, sagt die Frau. »Ein guter Sohn.«
Bin ich nicht. Bin ich nicht.
»Du würdest für deinen Vater alles tun, stimmt’s?« Sie sieht mir zu, wie ich vor- und zurückschaukele. »Er steckt wirklich in Schwierigkeiten. Du kannst ihm am besten helfen, indem du uns hilfst.«
»Aber ich weiß nichts«, flüstere ich. »Ich weiß nichts, ich …« Meine Stimme versagt.
Der Mann liest eine Nachricht auf seinem Blackberry, beantwortet sie, lässt seine Knöchel knacken und reckt den Hals. »Wir können gehen.«
Die Frau reicht mir ihre Karte: FBI, Gruppe 9, Telefonnummer und E-Mail -Adresse. »Deine Mutter wartet oben auf dich«, sagt sie ruhig. »Wenn dir irgendwas Auffälliges am Verhalten deines Vaters einfällt, was auch immer, melde dich.«
Die beiden lassen mich aufstehen und folgen mir die Treppe rauf.
Die Küche sieht aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Alle Schubladen liegen auf dem Boden, Geschirrtücherund Besteck sind verstreut. Schranktüren, Herdtür, Kühlschranktür – sie stehen alle auf. Sämtliche Behälter sind weg: Saft- und Milchkartons, Konservendosen, Gewürzdosen. Warum?
Mom sitzt im Wohnzimmer auf dem Sofa. Vier FB I-Leute stehen um sie herum. Alle Teppiche sind zerfetzt, die Möbel durcheinandergeworfen. Als Mom mich sieht, springt sie auf und breitet die Arme aus. Ich will nicht rennen, tue es aber doch. Sie umarmt mich fest.
Kann sein, die FB I-Typen murmeln was, als sie gehen. Vielleicht
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