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Im falschen Film 1

Im falschen Film 1

Titel: Im falschen Film 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Mansini
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sie garantiert erst am Vortag zu Besuch im Krankenhaus gewesen.
    Während Mutter und Tochter sich umarmten, nickte Tom mir freundlich zu.
    „Ich wollte nur ‚Auf Wiedersehen‘ sagen“, erklärte ich leise.
    „Sie werden entlassen?“
    „Na ja, ich hab’ ja nichts.“
    Ich schaute auf Viktoria, die nun vollends von ihrer Tochter in Beschlag genommen wurde. Es war rührend zu sehen: Das Kind konnte noch nicht besonders viel reden, aber haute nun alles heraus, was ging. Immer mit dem Finger darauf zeigend plapperte sie los: „Mami Auaaua. Arm Auaaua. Hand Auaaua. Bauf Auaaua. Fixi! Ava. Nasi! Mund! Auga!“
    Und so weiter. Derweil kam Tom etwas näher zu mir.
    „Die Erinnerung? Gar nichts?“
    Ich schüttelte den Kopf.
    „Zumindest weiß ich jetzt, dass es auch permanent sein kann.“
    Er seufzte mitfühlend.
    „Na ja, ich versuch’s positiv zu sehen. Ich feiere bald zum ersten Mal Weihnachten. Mein erstes Silvester. Alles sehr aufregend!“
    Tom lächelte traurig. Wir schwiegen kurz, hörten nur das Geplapper der Kleinen.
    „Bluuume! Ente Quak!“
    „Ich wünsche Ihnen alles Gute“, sagte ich zu beiden und beeilte mich, zur Tür zu kommen. Plötzlich wollte ich einfach nur noch weg.
    „Trixi?“
    Das war Tom. Ich blieb noch einmal in der Tür stehen. Irgendetwas in mir hoffte, dass er mich nach meiner Telefonnummer fragen würde. Auch wenn ich die nicht wusste.
    „Ihnen auch alles Gute!“
    Er sagte dies sehr warm. Es ging durch den ganzen Körper.
    „Und passen Sie auf sich auf!“, schickte Viktoria lieb lächelnd hinterher.
    Jetzt war es mir endgültig zu viel. Ich ging. Ich ging aus dem Zimmer. Ich ging aus dem Krankenhaus. Ich ging nach Hause. Beziehungsweise dorthin, wo laut Christian mein Zuhause sein sollte.

7
    Mein „Zuhause“ befand sich in einem klassischen Berliner Altbau im „coolen Teil“ von Kreuzberg – wie Christian die Gegend rund um den Marheinekeplatz nannte. Das Erste, was mir in dem über hundert Jahre alten Haus auffiel, war ein großes, selbstgemaltes Schild im Hausflur, das mit einem kräftigen Ausrufezeichen dazu aufforderte, die Haustür zu schließen: „Tür zu!“. Berliner Freundlichkeit. Die dann auch noch durch einen Computerausdruck über den Briefkästen ergänzt wurde: „Achtung Diebe! Haustür IMMER geschlossen halten. Nachts abschließen!!!“ Diesmal drei Ausrufezeichen, das Wort „Bitte“ schien in dieser Hausgemeinschaft ein Fremdwort zu sein. Als wir dann in dem kleinen Aufzug, der nachträglich im Hof von draußen an das Haus angebaut worden war, einen weiteren Zettel mit Ausrufezeichen und ohne „Bitte“ fanden, musste ich lachend den Kopf schütteln.
    „Okay, wir haben’s kapiert!“
    Christian, der die Tasche mit meinen wenigen Sachen trug, schaute mich erstaunt an.
    „Was?“, fragte ich ihn. „Unfreundlicher geht’s ja wohl kaum! Das ist schon der dritte Zettel!“
    „Und weißt du auch, wer die Zettel aufgehängt hat?“, fragte er mich mit einem Unterton in der Stimme, der wie eine Rasierklinge durch die Haut schnitt. Denn ich verstand ihn sofort.
    „Echt?“, fragte ich kleinlaut. „Warum mache ich so etwas?“
    „Man hat dir zwei Mal dein Fahrrad aus dem Hof geklaut.“
    „Ah, na das … das ist aber auch gemein.“
    „Danach hatte jeder Hausbewohner so einen Zettel im Briefkasten und als Frau Öztürk aus dem Fünften mal abends die Haustür festgestellt hat und dann Einkäufe aus dem Auto holen gegangen ist, hast du sie ihr vor der Nase zugehauen.“
    Wir verließen im dritten Stock den Aufzug und gingen zu unserer Wohnungstür. Eine ältere Dame kam von oben die Treppe hinab. Christian grüßte sie. Ich nickte ihr eingeschüchtert zu – nicht weil ich sie nicht kannte, sondern weil sie mich mit einem Blick bedachte, der sehr nach „Mist, jetzt ist die auch wieder da!“ aussah. Als wir die Wohnungstür hinter uns geschlossen hatten, fragte ich Christian: „Ich bin nicht besonders beliebt im Haus?“
    Er dachte kurz gespielt nach, grinste dann und sagte: „Ich mag dich. Was willst du mehr?“
    Er ging mit meinen Sachen weiter in die Wohnung, eine typische Altbauwohnung. Zwei recht geräumige Zimmer mit hohen Decken zur Straße, ein kleineres zum Hof. In einem der großen Zimmer war offensichtlich unser Wohnzimmer, dessen wichtigstes Merkmal ein überdimensionaler Fernseher war. Allerdings keiner von diesen modernen Plasmabildschirmen, die flacher sind als ein Buch, sondern eine Kiste, in der man zur Not auch ein Kalb

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