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Im Feuer der Begierde: Roman (German Edition)

Im Feuer der Begierde: Roman (German Edition)

Titel: Im Feuer der Begierde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeaniene Frost
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unverblümt fest.
    Vlads Meinung nach nicht!, höhnte meine innere Stimme. Er glaubt, ich liebe ein Fantasiewesen, das es nicht gibt.
    Ich holte tief Luft. Hätte ich mir meine innere Stimme herausreißen können, hätte ich sie mit aller Kraft meiner körpereigenen Elektrizität auf den Mond geschossen. Aber wenn ich weiter so dachte, würde ich am Ende noch zu Gollum aus Der Herr der Ringe mutieren. Womöglich würde ich bald anfangen, mit meinem eigenen Spiegelbild zu reden.
    »Seit wann löst Liebe alle Probleme?«, antwortete ich.
    Mein Vater schnaubte. »Du bist zu jung, um schon so abgestumpft zu sein.«
    Mit einem kurzen Auflachen hob ich die rechte Hand. »Du weißt doch noch, was ich dank der hier alles sehe, oder? Jedermanns schlimmste Sünden. Ich mag zwar erst fünfundzwanzig sein, aber jung bin ich längst nicht mehr.«
    Dad schwieg eine Weile. Schließlich nickte er. »Das stimmt wohl.«
    Dann beugte er sich vor und senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Aber Kleines, du musst dich wirklich von Vlad fernhalten. Während meiner Militärzeit habe ich alle möglichen hartgesottenen Männer kennengelernt, aber bei keinem von ihnen habe ich Angst verspürt, wenn ich ihm in die Augen gesehen habe. Wenn ich in Vlads Augen sehe, läuft es mir kalt über den Rücken.«
    Eine verständliche Reaktion angesichts der Tatsache, dass man Vlad nicht mit den typischen Soldaten, Söldnern, Kriegsherren und anderen Gestalten vergleichen konnte, mit denen es mein Vater zu tun gehabt hatte. In vielerlei Hinsicht war er ein Stück lebendige, ungezähmte Vergangenheit im Hier und Jetzt, und doch gab es für mich nur eine Antwort. Zwar war es das Letzte, was mein Vater hören wollte, aber es war auch die Wahrheit.
    »So geht es mir nicht, wenn ich ihn ansehe.«
    Damit erhob ich mich voll neuer Entschlossenheit. Vlad glaubte also, ich wäre in eine Fantasieversion seiner selbst verliebt, weil ich die volle Dosis Dracula nicht ertragen konnte? Ich würde ihm – und meiner verhassten inneren Stimme – beweisen, dass er falschlag.
    »Gute Nacht, Dad. Ich habe noch etwas zu erledigen.«
    Für den Fall, dass Vlad doch noch zurückgekommen war, trällerte ich im Geiste hingebungsvoll das nervigste Lied vor mich hin, das mir einfiel. Mein Vorhaben war riskant, aber wann war mein Leben schon mal nicht riskant gewesen? Außerdem hatte ich lediglich Nasenbluten bekommen, als ich die letzten beiden Male meine Fähigkeiten eingesetzt hatte. Und Vlad hatte mir heute erst Blut gespendet, was die Gefahr ebenfalls verringerte. Kurz gesagt hieß es: jetzt oder nie.
    Im Erdgeschoss ließ ich den Speisesaal, die Bibliothek und den Wintergarten links liegen und näherte mich einem Raum, den ich für gewöhnlich mied. Die Waffenkammer, wie ich ihn nannte.
    Was blutrünstige Erinnerungen anging, konnte sich lediglich der Kerker mit diesem Zimmer messen. Es war angefüllt mit Kettenpanzern, Rüstungen, Schwertern, langen Krummmessern, Keulen, Schilden, Speeren, Armbrüsten und Spießen, die meisten übersät mit Dellen, Flecken und anderen Gebrauchsspuren. Die bloße Nähe zu diesen Gegenständen ließ meine rechte Hand prickeln, als würden die in den Objekten gefangenen Essenzen nach mir greifen.
    Als ich das letzte Mal hier gewesen war, hatte ich die rechte Hand fest an mich gedrückt, weil ich nicht hatte wissen wollen, was für Gräuelgeschichten diese Objekte zu erzählen hatten. Diesmal streckte ich die Hand aus, um den Ereignissen nachzuspüren, die Vlad zu dem Mann gemacht hatten, von dem er glaubte, ich könnte ihn unmöglich lieben. Zuerst berührte ich einen langen Speer.
    Ich erhob meinen Speer mit einem Brüllen, in das Tausende hinter mir stehende Soldaten einfielen. Wir waren zwar in der Unterzahl, aber ich würde eher sterben als zulassen, dass die Walachei in die Hände der Eroberer fiel. Ich trieb also mein Pferd den steilen Hang hinunter und hörte am Donnern der Hufe, dass meine Männer mir folgten.
    Das Bild verblasste, und ich nahm mir den Schild vor, indem ich das ins Metall gehämmerte Drachenemblem berührte.
    Ein Hagel aus Pfeilen schwärzte den Himmel. Ich hob meinen Schild zur Abwehr und wartete, ob ich leben oder sterben würde. Als mein Schild nicht mehr bebte, erhob ich mich und hackte die darin steckenden Pfeile mit einem kräftigen Schwerthieb ab. Dann grinste ich, obwohl mir das Blut von der Stirn rann. Noch war ich nicht tot …
    Die Schlachtenbilder ließen mein Herz rasen, aber ich wollte nicht aufgeben.

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