Im Feuer der Begierde: Roman (German Edition)
Als Nächstes ließ ich meine rechte Hand über eine martialisch anmutende Keule gleiten.
Auf meinem Thron sitzend, ließ ich den Zorn nicht erkennen, der in mir wütete. Mehmed glaubte, er könnte mich einschüchtern, indem er seinem Gesandten drei meiner früheren Kerkermeister zur Seite gestellt hatte. Er irrte sich.
»Aus Frömmigkeit könnt ihr eure Turbane in meiner Gegenwart nicht abnehmen?«, hakte ich nach. Dann schenkte ich den Peinigern meiner Jugendzeit ein Lächeln. »Lasst mich euch behilflich sein, dass ihr sie auch sicher nicht verliert. Haltet sie.«
Meine Wachen packten die Männer, während ich eine Keule und einige lange Nägel herbeiholte. Und während mein Zorn kalter Entschlossenheit wich, nagelte ich ihnen die Turbane auf den Köpfen fest. Als der dritte Mann leblos zu Boden fiel, schleuderte ich dem entsetzten Gesandten die Keule entgegen.
»Hier, meine Antwort auf die Bedingungen des Sultans.«
Ehe mir bewusst wurde, was ich als Nächstes berührte, tauchte ich auch schon in eine andere Erinnerung ein. Die Welt verschwamm mir vor Augen, während Bild um Bild aus der Vergangenheit das Hier und Jetzt verdrängte. Kurz sah ich eine Frau mit üppigem braunen Haar, aber als ich versuchte, einen Blick auf ihr Gesicht zu werfen, wurde es undeutlich. Schon war sie wieder verschwunden, und ich berührte einen anderen Gegenstand, immer in dem Bestreben, mir all das anzusehen, was ich Vlad zufolge nicht verkraften könnte. Mit jedem neuen Gegenstand brachen Phantomschmerzen und -emotionen über mich herein. Sie kamen so schnell und erbarmungslos, dass die Realität in immer weitere Ferne glitt. Ich war nicht länger eine Frau, die ihre Liebe zu ihrem Exfreund unter Beweis stellen wollte.
Ich war Vladislav Basarab Dracul, als Junge vom eigenen Vater als politisches Faustpfand verschachert. Ein junger Mann, der Schlacht um Schlacht die Freiheit seines Landes erkämpfen musste, um dann von seinen Lehnsleuten, der Kirche und sogar dem eigenen Bruder verraten zu werden. Selbst der Vampir, der mich erschaffen hatte, verließ mich irgendwann. Eine Frau, die mich für meine Taten verabscheute, machte mich zum Witwer, und Mihaly Szilagyi, ein Vampir, der durch mich die Herrschaft über die Walachei erlangen wollte, steckte mich in den Kerker. Verrat, Schmerz und Tod waren meine ständigen Begleiter, aber ich ließ mich dadurch nicht brechen. Im Gegenteil; ich nutzte sie, um meine Gegner zu brechen.
»Leila!«
Wie von weither hörte ich Vlads Stimme. Ich spürte, wie er mich packte, konnte ihn aber nicht sehen. Vor meinen Augen war alles rot.
Wieder rief Vlad meinen Namen, aber seine Stimme klang leiser. Schon hörte und spürte ich ihn nicht mehr. Gut. Merkte er denn nicht, dass ich schlafen wollte?
Etwas rann mir die Kehle hinunter, und ich kam wieder zu Bewusstsein. Durch einen roten Schleier hindurch sah ich Vlads Gesicht. Spürte seine starken Arme um mich, während er mir das Handgelenk an die Lippen presste.
»Leila, kannst du mich hören?«, fragte er und nahm seine Hand weg, damit ich antworten konnte.
Ich blinzelte, aber der rote Schleier vor meinen Augen wollte nicht weichen. Dann gab ich ihm den Gegenstand, den ich noch immer umklammert hielt, mir vage bewusst, dass es sich um eine uralte Krone handelte.
»Du irrst dich«, flüsterte ich. »Ich liebe doch dein wirkliches Ich.«
Falls Vlad antwortete, hörte ich es nicht mehr. Ein heftiges Schwindelgefühl, gefolgt von überwältigendem Schmerz, durchfuhr mich, und dann spürte ich gar nichts mehr.
23
Ist es Ihnen schon einmal passiert, dass Sie wach genug waren, um anhand von Lautfetzen mitzubekommen, was um Sie herum vorgeht, aber zu groggy, um irgendwie darauf zu reagieren? Mir kam es wie Stunden vor, die ich in diesem seltsamen, halb bewussten Zustand verbrachte und bruchstückhaft Gretchens Stimme, die meines Vaters, Vlads, ja sogar die von Marty hörte. Irgendwann brüllten sie dann alle um die Wette, aber als ich endlich glaubte, einen Sinn in ihren Worten zu erkennen, wurde ich wieder ohnmächtig.
Als ich wieder zu mir kam, konnte ich zwei Dinge deutlich wahrnehmen: Blutgeruch und Trommelschläge. Dieser Geruch und des nervige Bu-bumm, Bu-bumm hinderten mich daran, wieder einzuschlafen, was mich nervte, weil ich hunde müde war. Äußerst widerstrebend öffnete ich die Augen und sah über mir etwas verschwommen Weißes mit silbernen Ästen.
»Aufhören … mit der Trommelei«, krächzte ich.
Etwas Dunkles tauchte in meinem
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