Im Fischernetz (German Edition)
tief genug für sie war. Kein Tier war es, das den Schatten warf. Sayain schwamm näher, erkannte gebogene Holzplanken und ein Heckruder.
Ein Schiff.
Menschen.
Fremde.
Ein Beben ging durch seinen Fischkörper, als er sich umwandte und in tieferes Wasser davonschoss .
Kurze Zeit später hockte Sayain auf einem der wenigen noch stehenden Türme in der halbverfallenen Stadtmauer und spähte vorsichtig in die Bucht hinab. Das Schiff lag vor Anker, und gerade ließen einige Männer ein Beiboot zu Wasser, in dem drei von ihnen zur Küste zu rudern begannen. Die Männer wirkten allesamt hochgewachsen und kräftig, bis auf einen hatten sie helles Haar und waren in bunt gefärbte, edle Tuniken und Hosen aus festem Leder gehüllt. Zwei von ihnen trugen Schwerter am Gürtel, der dritte, ein schlanker, zierlicher, junger Mann mit brennend rotem Haar, war unbewaffnet, und seine Kleidung war deutlich schlichter als die der beiden anderen. Er trug noch nicht einmal Stiefel.
Das Boot glitt ans Ufer, es knirschte auf dem Sand. Die Männer sprangen heraus und wateten ans Ufer. Der Rothaarige bekam von dem Größeren der beiden anderen einen Wink und zerrte das Boot an den Strand hinauf, während der Große und sein Begleiter vorausgingen und sich suchend umsahen. Sayain duckte sich tief in sein Versteck. Was wollten diese Leute hier? Er hatte lange keine Fremden in Thalessia gesehen. Manchmal verirrten sich ein paar Wanderer und Schatzjäger in die alte Ruine, aber sie waren immer rasch wieder abgezogen. In den Ruinen spuke es, sagten sie, und zu holen gab es dort auch nichts mehr. Sayain kannte den Spuk, er kannte ihn sogar sehr genau. Er konnte nur hoffen, dass auch diese Männer sich von seinen kleinen Spielereien schnell vertreiben ließen. Sayain sah einen der Männer die Hände an den Mund heben. Wenig später erklang ein rauer Schrei, als imitiere er einen Vogelruf. Es dauerte nicht lange und ein Antwortschrei erklang aus Richtung des Wäldchens hinter der Ruine. Sayain biss sich auf die Lippen. Das war entschieden zu viel Besuch an diesem Tage. Er blieb auf seinem Turm hocken. Wenn er jetzt hinunterkletterte, war die Gefahr, dass die Fremden ihn sahen, zu groß. Außerdem konnte er von hier oben recht gut beobachten, was die Herrschaften vorhatten.
Es dauerte nicht lange und ein kleines Grüppchen näherte sich den Dreien – zwei weitere Bewaffnete, die vier gefesselte Gestalten hinter sich herzogen. Sayains Innerstes krampfte sich zusammen, als im Sonnenlicht die eng geschmiedeten Messingringe um die Hälse der Gefesselten aufblitzten. Sklaven. Zwei Mädchen und eine Frau, die den vierten Gefangenen eng an sich drückte, als er nach einem heftigen Ruck an der Kette stolperte und fiel. Es war ein Junge, dem Alter nach konnte er ihr Sohn sein. Einer der Bewaffneten lachte rau und rief etwas in einer kehligen Sprache, die Sayain nicht verstand. Die Männer aus dem Boot lachten, nur der Rothaarige schwieg und senkte den Kopf.
Sayain sah die Männer verhandeln, immer wieder wehten Wortfetzen in der fremden Sprache zu ihm herüber, einen Moment lang wirkte es, als würde es zum Streit zwischen den Händlern und ihren Lieferanten kommen, als der Große aus dem Boot eine wegwerfende Handbewegung in Richtung der armseligen Sklaven machte. Schließlich wechselte dann doch ein prall gefüllter Beutel seinen Besitzer und der Große griff nach den Ketten – die beiden jungen Frauen und der Junge hingen daran. Sayain biss sich auf die Lippen, als der Große die Frau brutal zurückstieß. Sie wollte sich an den Jungen klammern, doch wieder wurde sie zurückgerissen, stolperte, fiel, schlug mit dem Kopf an einen Felsen und blieb reglos liegen. Sayain konnte nicht genau sehen, was geschehen war, aber das Aufheulen des Kindes ließ nur einen Schluss zu. Er grub die Fingernägel in die Handflächen und biss sich auf die Zunge, um nicht zu schreien.
Sklavenhändler, in seiner Zuflucht, in seiner Stadt.
Er zwang sich, weiter zu beobachten, was geschah.
Die Männer trennten sich. Die, die aus dem Wald gekommen waren, schleiften den leblosen Körper der Frau hinter sich her, die aus dem Boot zerrten die beiden Mädchen und den heulenden Jungen zum Strand. Sie mussten den Rothaarigen zur Eile antreiben, der Große sagte etwas zu ihm, seine Stimme troff vor Spott. Der Rothaarige sah auf, dann senkte er den Blick wieder und fuhr sich mit den Händen durchs Haar.
Sayain sah Messing aufblitzen.
Noch ein Sklave – ein Sklave, der in den Diensten von
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