Im fünften Himmel
wolltest, dass ich meine Geschichte zuerst erzähle, hättest du doch einfach âºDu zuerstâ¹ sagen können.«
»Vielleicht war ich aber weniger gewillt, deine Geschichte zu hören, als meine zu erzählen.«
»Und jetzt?«
»Habe ich es mir anders überlegt.«
»In Ordnung. Jetzt willst du sie also hören?«
»Ich glaube schon.«
»Willst du, oder willst du nicht?«
»Bei dem Spannungsaufbau â auf jeden Fall.«
»Auch wenn sie vielleicht ⦠ich weià nicht ⦠unangenehm für dich ist?«
»Ja.«
»Dann erzähle ich sie. [Tiefer Atemzug.] Die Geschichte geht folgendermaÃen: Ein Mann bekommt einen Kaschmirpullover und eine Uhr, die keine Zeit anzeigt, von einer Ex ⦠äh ⦠Ex .«
»Von einer Ex, äh, Ex?«
»âºFreundinâ¹ passt nicht so richtig.«
»Partnerin vielleicht? Damenbekanntschaft? Oder klingt das zu alt? Wie wärâs mit âºGeliebteâ¹?«
»Ach, mit Liebe, Jessica, hatte das Ganze wenig zu tun.«
»Verstehe.«
»Diese Ex überredete den Mann auch, sich den Bart und die Dreads zu schneiden, aber sie nicht ganz abzurasieren.«
»Verstehe.«
»Was er auch tat.«
»Verstehe.«
»Von ihr lernte der Mann, in Gesellschaft und in MaÃen Alkohol zu trinken. Dann machten sie ⦠dann war Schluss. Und er rasierte sich den Bart und die Dreads komplett ab. Den Pullover trägt er immer noch, weil er wärmt und es drauÃen kalt ist. Aber die Uhr â die Armbanduhr trägt er ⦠zur mahnenden Erinnerung.«
»Woran?«
»An sie.«
»Ah. Verstehe.«
»Und ⦠äh ⦠[Räuspern.] Das war die Geschichte.«
[Pause.]
»Marcus?«
»Ja, Jessica?«
»Es tut mir leid, aber die Geschichte war scheiÃe.«
»Das weià ich. Aber ein Teil war wirklich hervorragend.«
»Welcher denn?«
»Deine Entschuldigung! Zahlen! «
»Verdammt. Gleichstand.«
»Ja, dann sind wir wohl quitt.«
[Pause.]
»Wann musst du am Gate sein?«
»Mein Handy sagt, dass ich jetzt bald mal aufbrechen sollte. Uns ist die Zeit ausgegangen. Jetzt werden wir nie die vollständigen, unzensierten Versionen unserer jeweiligen Geschichten hören.«
»Ach, das ist okay. Ich habe nichts dagegen, wenn wir diese Geschichten nicht zu Ende erzählen. Nicht jetzt gleich.«
»Jetzt gleich. Right now.«
»Ich wollte gar nicht auf die Postkarten anspielen! Das war Zufall!«
»Aha! Ich dachte, es gibt keine Zufälle.«
»Das war mit Sicherheit einer der bedauerlichsten Sätze, die ich im Verlauf unseres Gesprächs von mir gegeben habe. Schon als ich es sagte, meinte ich es nicht so. Ich brauchte bloà einen Vorwand, um auf Jung zu sprechen zu kommen. Um mein Bildungsmaul auch mal so weit aufreiÃen zu können wie du.«
»Wenn das einer der bedauerlichsten Sätze war, was waren dann die anderen?«
»Musst du nicht eilig wohin?«
»Und wer wechselt jetzt das Thema?«
»Dir fällt es sicher leicht, über das zu reden, was ich bereue, weil du ja anscheinend nichts bereust.«
»Und selbst wenn, dann würde ich mich jetzt nicht dafür entschuldigen. Und du bitte auch nicht. Nicht jetzt, wo wir endlich Gleichstand haben. Ich möchte nicht, dass du â¦Â«
»In meiner Schuld stehst?«
»Rein formell, ja.«
»Ach, Jessica â¦Â«
»Was?«
»Dafür, dass wir die Stunden so unterhaltsam verbracht haben, stehe ich jetzt schon in deiner Schuld, kann ich dir versichern.«
[Pause.]
»Ich muss jetzt wirklich los.«
»Ich komme mit.«
»Wohin? Zum Gate?«
»Klar. Warum nicht?«
»Ich dachte bloÃ, wir können das peinliche Abschiednehmen schon jetzt hinter uns bringen, damit wir es nicht bis zur allerletzten Sekunde hinziehen und noch unangenehmer machen.«
»Verstehe.«
»Denn wenn es dann richtig, richtig peinlich wird, könnte das die ganze gute Stimmung, die unser Gespräch erzeugt hat, wieder kaputt machen.«
»Du denkst zu viel.«
»Stimmt. Das tue ich wirklich.«
[Pause.]
»Also, Marcus, kommst du jetzt mit oder nicht?«
»Erlaubst du mir, die Götter der Peinlichkeit zu versuchen, indem ich dich zum Gate begleite?«
»Ja. Und dir macht es sicher nichts aus?«
»Wieso sollte es mir was
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