Im Funkloch
dachte, du wärst tot!«
»Und dann sollte ich im Wald verrotten, was?«
»Nein! Ich . . . ich weiß nicht. Aber ich wollte nicht ins Gefängnis. Ich wollte kein Mörder sein, ich wusste nicht weiter . . .« Seine Stimme verlor sich und er schluchzte.
Das erklärte, warum Passlewski gestern den ganzen Tag so neben der Spur gewesen war. Und es erklärte auch . . .
Oh, mein Gott.
»Sie wollten es mir in die Schuhe schieben«, sagte ich tonlos. »Das Handy. Mit Lucas' Blut. Das waren Sie . . .«
Ohne mich anzuschauen nickte er und Tränen flossen über seine Wangen. »Es tut mir leid, Samuel.«
»Klaut auch noch einem Toten das Handy«, sagte Lucas übertrieben empört.
»Es war nicht deins!«, brüllte Passlewski ihn an, als würde das irgendwas rechtfertigen.
Ich versuchte immer noch zu verarbeiten, dass Passlewski mir einen Mord hatte anhängen wollen – einen Mord, der in Wirklichkeit gar nicht geschehen war. Seine Reaktion, als ich ihm die Stelle gezeigthatte, an der Anni gelegen hatte – alles gespielt. Und als die Polizisten sagten, dass der Wald durchkämmt werden sollte, musste er endgültig Panik bekommen haben . . . und war zur Lichtung zurückgekehrt.
»Aber wie bist du dann . . . du warst doch verletzt!«
»Mich hat ein Engel gefunden«, sagte Lucas.
Ach du Scheiße – war er auch noch religiös geworden? Meine Gedanken rasten. Wir mussten hier raus, bevor das Feuer weiter um sich griff.
Lucas blickte über die Schulter hinter sich. »Sie hat mich gefunden und gepflegt, bei sich aufgenommen. Hast du alles, Schatz?«
Aus einem der Räume trat jemand in den Flur.
Susanne.
»Ein Glück, dass du die Erste warst, die ich unten im Dorf getroffen habe.«
Ich konnte kaum fassen, dass sie ihn unter diesen Umständen auch noch anlächelte. Das Benzin! Sie hatte es für ihn gekauft . . .
Susanne hielt Lucas eine Tasche hin, in die er reinschaute. »Das ist alles? Auch da drüben.«
Sie nickte eilfertig und verschwand in einem anderen Zimmer.
»Ihr klaut?«, fragte Tina fassungslos.
»Ein bisschen was mitnehmen kann nicht schaden.Fällt doch eh keinem auf, wenn alles runtergebrannt ist. Aber eigentlich geht's mir nur um das Arschloch hier.«
Er spuckte in Passlewskis Richtung, der noch immer bewegungslos dastand.
»Wie kannst du Susanne da mit reinziehen? Du bist ein verdammtes Arschloch!«, brüllte Tina.
»Ich hab sie zu nichts gezwungen«, sagte er grinsend.
Dann schlug er zu.
Ansatzlos schwang er den Ast. Mit voller Wucht traf er Passlewski am Kopf. Seine Brille wurde weggeschleudert und er sackte zusammen wie eine Puppe, blieb reglos liegen.
Lucas atmete schwer. Seine Augen glänzten vor Begeisterung. Dann sah er uns an. Er würde auch uns kaltmachen. Wir sollten hier mit Passlewski verbrennen. Mit Lucas konnte man nicht mehr reden, er würde das hier ohne Rücksicht auf Verluste durchziehen. Wahrscheinlich hatte er Susanne eingeflüstert, sie könnten ewig zusammen sein . . . ein Leben als Outlaws führen . . .
Die Hitze und der Qualm wurden immer intensiver. Ich stellte mich auf einen Kampf ein und wollte Tina zuflüstern, dass sie verschwinden sollte, als sie vortrat.
»Deine Mutter ist im Dachzimmer«, sagte sie.
Abrupt blieb Lucas stehen. Er schaute uns überrumpelt an.
»Es stimmt«, sagte ich schnell. »Sie ist heute Nachmittag angekommen.«
Er war wie zu Stein erstarrt.
Ich rechnete damit, dass er mir den Schädel einschlagen würde.
»Na und?«, sagte er. »Soll sie halt auch verbrennen.«
Aber zum ersten Mal sah ich Zweifel in seinen Augen.
»Das meinst du nicht ernst«, sagte ich überzeugt. »Dass du Passlewski killen willst, glaube ich dir. Uns auch. Aber deine Mutter . . .« Ich schüttelte den Kopf. »Wir können sie noch holen . . .«
Er umklammerte den Ast fester, seine Augen rasten von mir zu Tina.
Dann ließ er den Ast fallen, stürmte an uns vorbei und die Treppe rauf.
Susanne kam gerade aus dem Zimmer, hielt eine Geldbörse in der Hand. »Lucas!«, rief sie aus, ließ die Geldbörse fallen und rannte ihm hinterher.
»Schnell!«, sagte ich und lief zu Passlewski.
»Ist er . . .?«, fragte Tina.
Er lag auf dem Rücken, und im ersten Augenblick dachte ich schon, er würde nicht atmen. Aber dann sah ich, wie sich sein Brustkorb hob und senkte. Erhatte eine Platzwunde an der Stirn, und Blut verklebte seine Schläfe. »Wir müssen ihn rausschaffen«, sagte ich.
»Kannst du ihn tragen?«
Passlewski stöhnte. Ich kniete mich neben ihn und gab ihm einen
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