Im Funkloch
eine Bewegung sah.
Im Flur waren zwei Leute. Aber statt vor den Flammen zu fliehen, standen sie sich einfach nur gegenüber. Und einer von ihnen hielt etwas hoch – einen Baseballschläger, nein, einen Ast.
Wir gingen näher.
Der eine war Passlewski. Er trug noch seinen Pyjama, war barfuß, stand ein wenig vorgebeugt da, hatte beide Hände abwehrend erhoben.
»Herr Passlewski, wir müssen hier raus! Und oben ist . . .«
Ich unterbrach mich, als ich erkannte, wer der andere war. Der mit dem Ast.
Lucas.
Er lebte.
Und er sah stinksauer aus.
Schlüssel
Wie damals erwartet Lucas mich am Schulausgang, sitzt auf der Mauer. Und zum ersten Mal seit dem Einbruch schaut er mich an.
Einfach vorbeigehen würde nichts bringen, also halte ich auf ihn zu.
»Du bist eine feige Sau«, sagt Lucas.
»Und du hast mich bei der Polizei verpfiffen«, motze ich zurück.
»Hat leider nichts gebracht. Bin halt kein Musterschüler . . . sonst hätten sie vielleicht genauer nachgeschaut.« Er beugt sich vor. »Ich werde dir so die Fresse verprügeln, dass . . .«
»Einen Scheißdreck wirst du«, unterbreche ich, und zu meinem eigenen Erstaunen halten meine Knie stand und meine Stimme hat weiterhin Kraft. »Ich hab den Schlüssel, Lucas. Schon vergessen?«
Lucas blinzelt. »Und?«
»Wenn ich den zu den Bullen bringe, wissen die, dass dein Märchen nicht stimmt, dass du nur den Alkohol wolltest. Dann wird denen klar, dass das ein geplanter Einbruch war.«
Seine Augen verengen sich. »Und sie hätten den Beweis, dass du dabei warst.«
»Ich war dabei, ja. Und ich würde Ärger bekommen. Das nehme ich auf mich. Ich hab noch keine Akte bei den Bullen, du schon. Und wenn sie nachforschen, woher der Schlüssel eigentlich stammt, landen sie bei Ulf. Der wird dann zugeben, dass du ihn erpresst hast. Du. Nicht ich. Ich war nur der Komplize. Und, hey, ich bin genauso gezwungen worden wie Ulf. Das wird mir jeder glauben.«
Lucas funkelt mich an, als wollte er sich jeden Moment auf mich stürzen. Ich sehe, wie es in seinem Hirn arbeitet. »Gib mir den Schlüssel«, fordert er leise. »Gib ihn mir, sonst bring ich dich um.«
»Versuch es doch«, sage ich, drehe mich um und gehe weg.
»Das werde ich, Sammie!«, brüllt Lucas mir nach.
Feuertaufe
Als ich Lucas im Flur des Landschulheims sah und stehen blieb, lief Tina in meinen Rücken. Dann erkannte auch sie ihn, und ich hörte, wie sie zischend die Luft einsog – und gleich wieder aushustete.
Er trug noch immer die Klamotten, in denen er vor zwei Tagen verschwunden war. Im Gesicht hatte er Verletzungen, die mit blutigem Schorf bedeckt waren. Uns warf er nun einen Seitenblick zu. »Haut ab«, sagte er leise, aber ich verstand jede Silbe, als stünde er direkt neben mir. »Das geht euch nichts an.«
Mein Kopf dröhnte. Lucas lebte. Er war nicht abgehauen und er war nicht tot. Aber was war verdammt noch mal passiert? »Es brennt!«, rief ich hilflos, als hätten sie es noch nicht gemerkt.
Lucas kicherte. Dabei schüttelte er seinen ganzen Körper. »Was meinst du, wer das Feuer gelegt hat? Burn, baby! «
Langsam gingen Tina und ich näher.
»Lucas . . .«, sagte Passlewski. »Leg das hin. Wir müssen raus.«
»Oh, du kommst hier nicht raus. Nicht lebend.«
Er war völlig verrückt geworden. Das war offensichtlich. Total ausgetickt.
»Lucas, lass den Scheiß«, rief Tina entschlossen. »Wir kommen hier nicht mehr raus, wenn wir uns nicht beeilen!«
Er zuckte mit den Schultern. »Mir egal. Ich bin doch schon tot, oder? Habt ihr doch alle gedacht. Und wegen dem Arschloch hier wäre ich es fast gewesen.«
Mir schwirrten tausend Fragen im Kopf rum, aber raus bekam ich nur: »Was?«
»Im Wald«, sagte Lucas. »Bei der Lichtung. Er hat mir mit einem Ast eins übergezogen. Und das kriegt er jetzt zurück . . .«
»Du hast Anni getötet!«, brüllte Passlewski.
Er wusste davon? Wie konnte das sein? Und warum hatte er es mir nicht geglaubt, als ich es ihm gesagt hatte?
Lucas schaute zu mir. »Hätte nicht gedacht, dass der olle Passi so austickt, nur weil man ihm ein Halsband gibt . . .« Lucas kicherte.
Das Halsband . . . Lucas musste es abgenommen haben, nachdem er den Hund getötet hatte – um es Passlewski dann unter die Nase zu halten. Genau da, wo Passlewski vorhin gesucht hatte. Nach Lucas . . .
»Er hat mich einfach liegen gelassen, die Sau«, brüllte Lucas und machte einen kleinen Schritt auf Passlewski zu, der zurückwich.
»Ich war verwirrt!«, rief Passlewski. »Ich
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