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Im Gewand der Nacht

Im Gewand der Nacht

Titel: Im Gewand der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Nadel
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einen empfindlicheren Mann als ihn selbst außer Gefecht gesetzt.
    »Er hat sich mit einigen Leuten aus Las Vegas angefreundet«, erklärte Sılay mit einem lauten Bühnenflüstern. »Leuten, denen die Stadt zu dieser Zeit gehörte, falls Sie wissen, was ich meine.«
    »Das war zu Beginn der sechziger Jahre, nicht wahr?«
    »Genau, als es in Las Vegas von Italienern nur so wimmelte.« Sılays Lächeln wirkte gequält. »Als alle Stars mit ihren Frauen nach Las Vegas kamen. Und als ein Mann, der bereit war, solchen Leuten zu Diensten zu sein, allerhand erreichen konnte.«
    Obwohl er nicht viel für Hollywoodfilme übrig hatte, wusste İkmen, dass die Mafia in dieser Zeit angeblich enge Beziehungen zum Showbusiness unterhalten hatte, und zwar vor allem in Las Vegas. Gerüchten zufolge hatten selbst so prominente Persönlichkeiten wie Frank Sinatra Kontakt zur Mafia gehabt – eine Behauptung, die zu glauben sich Fatma İkmen in Bezug auf »ihren« Frank immer standhaft geweigert hatte. Trotz der Gerüchte hatte es nie irgendwelche Beweise gegeben, und weder der Name Hikmet Sivas noch der bekanntere Name Ali Bey war je im Zusammenhang mit derartigen Verdächtigungen genannt worden. Andernfalls hätte İkmen davon gewusst, denn die türkische Presse hätte mit Sicherheit dafür gesorgt, dass es jeder erfuhr.
    Wenn Sivas allerdings Kontakte zur Mafia besessen hätte und ihr aus irgendeinem Grund in die Quere gekommen wäre, hätte das die Entführung seiner Frau erklären können.
    Als könnte er İkmens Gedanken lesen, sagte Sılay plötzlich: »Wahrscheinlich wird sich herausstellen, dass die Mafia seine Frau entführt hat. Bestimmt hat er diese Leute aus irgendeinem Grund gegen sich aufgebracht; Hikmet bringt die Leute letztlich immer gegen sich auf. Die Mafia agiert international. Wahrscheinlich haben sie mit der Entführung gewartet, bis er hierher kam, weil sie wissen, dass die türkische Polizei ohne fremde Hilfe noch nicht einmal in der Lage ist, sich einen Schnupfen einzufangen.«
    İkmen warf Tepe einen Blick zu, aber der zuckte nur mit den Achseln.
    Der Inspektor schaute wieder in die roten Augen von Ahmet Sılay. »Hat Herr Sivas Ihnen etwas von Kontakten zur Mafia erzählt?«
    »Nein.«
    »Und wie …«
    »In den sechziger Jahren hat er mir regelmäßig geschrieben.«
    Sılay lächelte. »Und vor gut zehn Jahren habe ich ihn in Hollywood besucht. Da habe ich sie alle gesehen, wie sie sich um seinen Pool in Form des türkischen Halbmonds versammelten.«
    »Wen haben Sie gesehen?«, erkundigte İkmen sich. »Die Mafia?«
    »Italiener! Alberto und Martino, Giovanni, Giulia – sie alle hockten um diesen Pool herum, mit dem er Werbung machte für unser Land.« Sılay beugte sich erneut vor. »Sagen Sie selbst: Wer, außer jemand mit außergewöhnlich guten Verbindungen, würde aller Welt erzählen, dass er Türke ist, noch dazu in Amerika? Niemand. Die Amerikaner und die Europäer hassen uns Türken. Sie wissen das, Inspektor Çetin İkmen, und ich weiß das auch.«
    Obwohl İkmen solche Vorurteile selbst schon erlebt hatte, ging er mit keinem Wort darauf ein, denn er wollte Sılays Gedanken nicht noch weiter in diese Richtung lenken.
    »Herr Sivas meint, Sie würden Geschichten erfinden«, sagte er stattdessen. Dann steckte er sich eine Zigarette an und gab dem Schauspieler Feuer. »Möchten Sie etwas dazu sagen?«
    Sılay lachte. »Nun ja, er will vermeiden, dass Sie von seiner Verbindung zur Mafia erfahren. Er weiß schließlich, dass ich schlau bin und sein Geheimnis durchschaut habe.«
    »Das Thema kam eigentlich zur Sprache, als ich mich wegen des Falls Hatice İpek bei Herrn Sivas nach Ihrer Zuverlässigkeit erkundigte«, sagte İkmen. »Wie Sie sich erinnern werden, haben Sie ausgesagt, Hatice habe ein Verhältnis mit dem Konditor Hassan Şeker gehabt.«
    »Ja, und dazu stehe ich auch!«, erwiderte Sılay mit einem wütenden Funkeln in den Augen. »Nur weil ich trinke …«
    »Herr Sılay, Rechtsanwälte nehmen Leute wie Sie vor Gericht mühelos auseinander – Leute, die jeden Morgen schon vor dem Frühstück ihr Hirn in Alkohol ersäufen! Ich habe Herrn Sivas nach seiner Meinung gefragt, weil ich wissen muss, ob es sich überhaupt lohnt, vor Gericht zu gehen – für den Fall, dass ich in dieser Angelegenheit auf weitere Beweise stoße. Doch ich fürchte, dass das schwierig werden wird.«
    »Oh, Anwälte, Anwälte!« Sılay hob seine Flasche in Richtung Zimmerdecke und lachte heiser. »Allesamt

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