Im Glanz Der Sonne Zaurak
hinein verfolgen? Er stemmt die Hände gegen die Glocke des Sauerstoffzeltes. Plötzlich fühlt er sich eing e sperrt und bedroht. Aber die gläserne Halbkugel gibt nicht nach, sosehr er sich auch anstrengt.
„Was haben Sie, Leander? Haben Sie Schmerzen?“ tönt Dr. Pinns Stimme über ihm aus dem kleinen Lautsprecher.
Hinter der Glaswand der Intensivstation flammt gelbliches Licht auf, und er sieht den Blick des Arztes auf sich gerichtet. Gutmütige, besorgt dreinschauende Augen. Sofort verfliegt die unverständliche Angst wieder.
„Nein, Doktor, es ist alles in Ordnung…“, entgegnet er verwirrt und läßt sich zurücksinken.
Groß und schwarz starren ihn die Augen an. Sie kommen immer näher, und er erkennt, daß sie die Größe eines Handte l lers haben. Warme freundliche Augen, in denen lustige Fünkchen blitzen. Sie betrachten ihn aufmerksam und scheinen zu fragen: Warum habt ihr das getan, Leander, warum?
10. Der Ruf der Asseln
Die Startvorbereitungen sind fast abgeschlossen. Ein, zwei Tage noch, dann wird sich die Leviathan wie ein gigantischer Vogel unter Donnern und Brausen in den Himmel schwingen. Ahab hat sich endgültig entschieden, die Basis in den Felswü s ten des Zweiten anzulegen.
Ein hartes Stück Arbeit liegt vor ihnen. Der Zweite besitzt keine Atmosphäre, also kann die Leviathan nicht landen. Stück für Stück müssen sie die Ausrüstung mit den Landern hinunte r schaffen. Die Wohngebäude werden sie tief in den Fels treiben, da die fehlende Lufthülle dafür sorgt, daß die harte Strahlung der Sonne Zaurak und Meteorströme ungehindert auf die Oberfläche des Planeten prasseln.
Ahab hat sich nach dem Befinden der Patienten erkundigt, er hat Dr. Pinn gefragt, ob man ihnen die Belastung während des Starts schon zumuten darf.
Pinn hat sein Einverständnis erklärt. Übermorgen werden sie starten.
„Hallo, Leander, wie geht es dir?“ Algert klopft mit dem gekrümmten Zeigefinger gegen die Trennscheibe. Doch Leander hört ihn nicht. Er hat sich auf die Ellenbogen gestützt und schaut durch Algert hindurch in nebelhafte Fernen, die nur er erblickt. Die Hand des Arztes schließt sich um Algerts Oberarm. Erschrocken zuckt der Kadett zusammen. „Was hat er, Doktor?“ fragt er bestürzt.
Dr. Pinn zieht ihn beiseite und flüstert verzweifelt: „Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht, ich weiß es nicht… Erst sah es so aus, als würde sich alles zum Guten wenden, und nun geht etwas mit den Männern vor, von dem wir noch weniger verstehen als von den Ereignissen vorher… Die Patienten sind völlig apathisch, dann wieder werden sie unruhig, stammeln sinnloses, unz u sammenhängendes Zeug, schlagen wie toll um sich… Zwei von ihnen mußten wir angurten, sie hätten sonst das Sauerstoffzelt demoliert. Leander tobt nicht, er ist ganz friedlich…, als ob er mit offenen Augen träumt… Dieser verfluchte Einzeller!“
Algert starrt betroffen durch die Glaswand. Da liegt er, sein ehemaliger Rivale, den er immer um seine Kraft und Vitalität beneidet hat, da liegt er unter der Glocke des Sauerstoffzeltes, lächelt versonnen in sich hinein, als unterhalte er sich mit einem Freund oder guten Bekannten, seine Lippen bewegen sich leicht und formen unhörbare Worte, und doch ist da niemand, mit dem er sprechen könnte.
Erschüttert wendet sich Algert ab. Es ist deprimierend, den stolzen und streitbaren Leander in dieser Verfassung zu sehen. Ihm ist völlig klar, daß der Gefährte geistig nicht normal ist. Man sieht es auf den ersten Blick, daß sein Verstand verwirrt ist. Am deutlichsten an dem kindlichen Lächeln, das seine Mundwinkel umspielt, ahnungslos und naiv.
Noch einmal tritt Algert dicht an die dicke Glasscheibe heran. „Leander, wir starten übermorgen, hörst du? Übermo r gen verlassen wir den Planeten. Ahab will die Basis auf dem Zweiten bauen…“
Leander dreht langsam den Kopf, als höre er auf ein fernes Geräusch. Seine matten Augen leuchten eine Sekunde lang auf. Dann nimmt er wieder seine statuenhafte Pose ein.
„Kommen Sie, es hat keinen Zweck. Er versteht Sie nicht.“ Pinn schiebt Algert energisch vom Fenster weg. „Wenn Sie helfen wollen, bringen Sie bitte die Blutproben und diese Gewebeproben hier zu Sandies und Ekalla ins Labor.“
Algert nimmt den hermetisch abgedichteten und nachträglich noch sterilisierten Chrombehälter und geht zur Tür. Noch einen letzten Blick wirft er durch die Schreibe, hinter der die vier Patienten liegen.
Leander hat
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