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Im Glanz Der Sonne Zaurak

Im Glanz Der Sonne Zaurak

Titel: Im Glanz Der Sonne Zaurak Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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verschwinden, sich in nichts auflösen.
    „Ja, ich komme…“, murmelt er vor sich hin und will sich aufrichten, als er mit der Stirn gegen die gläserne Glocke stößt, die sich wie ein kleines Himmelsgewölbe über sein Lager stülpt. Leander stemmt die Hände dagegen und spannt seine Rücke n muskeln an. Nicht er ist es, der mit aller Macht diesen Kerker zu sprengen versucht, nein, es ist ein anderer, jemand, den er nicht kennt. Leander spürt die Anstrengung nicht, die es diesen anderen kostet, die Halbkugel nach oben zu drücken, er fühlt nicht das eiskalte Glas auf den Handflächen. Die Mu s keln, die sich wie Luftballons blähen und doch steinhart sind, gehorchen nicht seinen Befehlen. Er sieht nur staunend, wie sich die durchsichtige Decke seines Gefängnisses langsam hebt…
    Dr. Pinn ist eingenickt. Lange kämpfte er gegen die Zentne r lasten, die auf seinen Augenlidern lagen; schließlich gab er seufzend nach und genoß die Sekunde, in der der Friede und die Geborgenheit des Schlafes ihn mit weichen Federn zudeckten. Doch das immer wache Gewissen tyrannisiert seinen Schlaf, hält Pinn dicht unter der Schwelle des Erw a chens, statt ihn in die beglückende Tiefe der Körperlosigkeit fallen zu lassen.
    So ist er sofort hellwach, als er ein Geräusch aus dem Lau t sprecher hört, der mit den Mikrofonen in der Intensivstation gekoppelt ist. Er sieht, wie Leander sich von der Bettkante erhebt und einige unsichere Schritte macht.
    „Leander, Junge, leg dich hin. Du darfst nicht aufstehen!“ ruft er beunruhigt und fragt sich erstaunt, wie der Kadett es geschafft haben kann, gegen den Widerstand der Hydraulik die Kuppel des Sauerstoffzeltes anzuheben.
    Leander hört nicht auf ihn. Oder hört er überhaupt nicht! Keine Reaktion deutet darauf hin, daß er seine Umwelt wahrnimmt. Wie betrunken torkelt er auf die gläserne Tren n wand zu. Der erloschene Blick seiner Augen macht Pinn deutlich, daß er etwas unternehmen muß. Der Junge ist nicht bei Bewußtsein! schießt es ihm durch den Kopf. Da knallt Leander mit der Stirn hart gegen das Glas! Als wäre nichts geschehen, dreht er sich zur Seite und geht auf die Tür der Luftschleuse zu.
    In der Intensivstation herrscht ein minimaler Unterdruck, der ein Entweichen von Mikroben verhindert, und in der Schle u senkammer wird der Druck noch weiter abgesenkt, bevor die Außentür geöffnet werden kann – eine doppelte Sicherung. Pinn legt die Atemmaske an und streift schnell die Schutzka p pe über. Dann nimmt er aus einer Schublade eine kleine, griffig geformte Stahlflasche mit einem Abzugbügel und einer trichterartigen Öffnung. Sollte Malden Schwierigkeiten machen, würde das Gas ihn in Sekundenschnelle friedlich wie ein Lamm werden lassen.
    Als der Arzt die äußere Schleusentür öffnet, faucht ein warmer Luftstrom aus seinem Beobachtungsraum über ihn hinweg und wird von der matt erleuchteten Schleuse gierig aufgesogen. Zischend schließt sich die Tür hinter ihm, und in demselben Moment gleitet die Innentür mit einem sandigen Knirschen zurück. In der Öffnung steht mit ausdruckslosem Gesicht Leander. Wenn seine Augen überhaupt sehen, dann blicken sie geradewegs durch Pinn hindurch.
    „Kommen Sie, Leander, legen Sie sich hin!“ sagt der Arzt väterlich und nimmt Leander am Ellenbogen, um ihn zum Bett zu führen.
    „Ich komme…“, murmelt der Kadett schläfrig.
    Pinn atmet auf und macht einen Schritt in den Raum hinein.
    Doch Leander kümmert sich nicht um ihn. Sein Ellenbogen entwindet sich ohne Hast, aber energisch dem Griff des Arztes, und Leander tritt in die Schleuse.
    Da drängelt sich der Bordarzt an ihm vorbei und baut sich vor ihm auf. „Jetzt sei doch vernünftig, Junge. Ich bin es, Doktor Pinn, dein Arzt! Erkennst du mich nicht? Ich will dir doch helfen!“ Noch zögert er, dem jungen Mann eine betä u bende Gaswolke in das Gesicht zu sprühen.
    Er kommt nicht mehr dazu, seine Nachgiebigkeit zu bereuen. Ein dunkler Schatten löst sich von Leanders Hüfte, schwingt wie ein Uhrpendel nach oben, und der Arzt hat einen Auge n blick lang das Gefühl, mit dem Kinn auf eine Treppenstufe gefallen zu sein. Dann fühlt er nichts mehr.
    Leander verharrt einige Sekunden. Er stiert verständnislos auf seine noch in der Luft hängende Faust, dann blickt er auf den am Boden liegenden Arzt. Sein Gesicht verzerrt sich unter einem irren Kichern, und er flüstert glücklich: „Ich komme…, ich komme…“
     
    „Er antwortet nicht Es hat keinen Zweck,

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