Im Hauch des Abendwindes
ihren Tee aus. »Die Idee ist mir auch gekommen, aber dann fiel mir etwas Passenderes ein. Ich habe ihm vor all seinen Nachbarn und vor Chrissie an den Kopf geworfen, mir eine Geschlechtskrankheit von ihm geholt zu haben.«
Emily riss geschockt die Augen auf.
»Ich weiß, dass ich damit meinen eigenen Ruf kaputt gemacht habe, Mom, aber das war’s mir wert. Du hättest Gavins Gesichtsausdruck sehen sollen. Einfach unbezahlbar! Hätte ich doch nur einen Fotoapparat dabeigehabt!«
Emily musste wider Willen lachen. Dann, wieder ernst geworden, sagte sie: »Du wirst über ihn hinwegkommen, Ruby. Du bist eine wunderschöne junge Frau und hast noch dein ganzes Leben vor dir.«
»Ich weiß, dass die Wunde eines Tages verheilen wird, aber ich bezweifle, dass ich je wieder einem Mann vertrauen kann.«
Emily legte ihre Hand tröstend auf die ihrer Tochter. »Es tut mir so leid für dich, mein Schatz«, sagte sie mitfühlend.
»Schon in Ordnung, Mom«, erwiderte Ruby. Sie seufzte erneut. »Vielleicht ist es uns einfach nicht bestimmt, Glück in der Liebe zu haben.«
»Sag so was nicht, Ruby. Ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass du eines Tages den Mann deiner Träume finden und ein langes, glückliches Leben mit ihm führen wirst. Das hättest du wirklich verdient.«
»Wenn ich reich bin, dürfte es leichter sein, so jemanden zu finden«, sagte Ruby. Um ihre Mundwinkel zuckte es.
Emily machte ein trauriges Gesicht.
»Das war doch nur ein Scherz, Mom«, versicherte Ruby. »Ich werde eine neue Stelle finden, und eines Tages werde ich meinen eigenen Salon haben. Ich will auf eigenen Füßen stehen, weißt du?«
Emily nickte. »Als Frau unabhängig zu sein ist heutzutage wichtiger denn je. Ich wünschte, ich hätte immer gearbeitet. Dann wäre ich jetzt nicht in dieser misslichen Lage. Was soll bloß aus uns werden, wenn wir hier rausmüssen?« Sie wünschte sich sehnlichst ein klein wenig Sicherheit für sich und ihre Tochter. Immer hatte sie gehofft, Joe werde die Wohnung eines Tages kaufen und sie ihr überschreiben.
»Mach dir keine Sorgen, wir schaffen das schon. Ich werde eine neue Stelle finden, und alles wird gut werden.«
Ruby gab sich zuversichtlicher, als sie war. Im Stillen hoffte sie, dass ihr Vater ihrer Mutter ein bisschen Geld hinterlassen hatte, denn wenn nicht, würde ihr Traum von einem eigenen Salon genau das bleiben – ein Traum.
4
Am Montag machte sich Ruby in aller Frühe auf, um sich bei Barbie ihr restliches Gehalt und ihr Zeugnis abzuholen. Es war wirklich ausgezeichnet. Dann ging sie gleich auf Arbeitssuche. Als Erstes kaufte sie sich am Zeitungsstand eine Zeitung und sah die Stellenangebote durch. Ernüchtert musste Ruby feststellen, dass sich die Zahl der Angebote in Grenzen hielt. Aber immerhin in vier Friseursalons im Umkreis ihrer Wohnung wurde eine Arbeitskraft gesucht. Sie rief an und machte einen Termin für ein Vorstellungsgespräch aus.
Ein Angebot klang besonders verlockend. Der Salon befand sich in der Portobello in Chatswood und schien jung und trendig zu sein wie Barbies Laden. Die Inhaberin war ganz aufgeregt gewesen, als Ruby erzählte, sie habe bei Barbie gearbeitet, was ihr Hoffnungen gemacht hatte, die Stelle zu bekommen. Doch als sie hinkam, musste sie feststellen, dass sie eine von zwanzig Bewerberinnen und die Stelle bereits vergeben war.
Unverdrossen klapperte Ruby die nächsten Salons im North Shore ab, die sie sich in der Zeitung angestrichen hatte, darunter so exklusive Läden wie Silver Sands Hair Design in St. Leonard’s und Coco’s in Gore Hill. Sie schaute bei Barbara Ann’s in Greenwich und bei Variety Hair and Beauty in Lane Cove vorbei. Zu guter Letzt rief sie auch in Salons an, die weiter entfernt waren, in Baronia Park etwa oder East Ryde. Die meisten brauchten niemanden, und wenn doch, dann konnten sie unter vielen Bewerberinnen auswählen, oder es stellte sich heraus, dass der Laden nichts für Ruby war. Sie hätte nie gedacht, dass es so schwierig sein könnte, eine neue Stelle zu finden.
Am Donnerstagabend, nach vier Tagen vergeblicher Suche, war Ruby völlig geknickt. Wie sollte es nur weitergehen? Das Geld ging rasant zur Neige.
»Ich war mir so sicher, dass ich gleich etwas Neues finden würde«, sagte sie zu ihrer Mutter.
»Hab Geduld, du suchst doch erst seit ein paar Tagen«, erwiderte Emily optimistisch.
»Hast du mal auf deinem Konto nachgesehen, ob Geld eingegangen ist?« Ruby sorgte sich wegen der Miete, die bezahlt werden
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