Im Hauch des Abendwindes
können.
»Komm Montag vorbei, dann zahle ich dir dein Restgehalt aus«, sagte Barbie. Draußen hupte jemand. Sie warf einen raschen Blick aus dem Fenster und sah ihren Mann im absoluten Halteverbot stehen. »Das ist Freddie, ich muss los.«
Sie griff nach ihrer Handtasche und stellte das Radio ab. Lulu hatte gerade To Sir with Love gesungen, einer von Rubys und Marissas Lieblingssongs. Marissa gefiel der Schlager so gut, dass sie die Haare jetzt genau wie Lulu trug.
Barbie hatte es eilig. Sie schob Ruby zur Tür hinaus und schloss hinter ihnen ab. Fred McKenzie wartete in einem nagelneuen Holden Monaro Sportcoupé auf seine Frau. Er lächelte und winkte. So schlecht kann es ihnen ja nicht gehen, wenn sie sich so ein schickes neues Auto leisten können, dachte Ruby bitter. Es fiel ihr schwer, die Hand zu heben und zurückzuwinken.
»Wir sehen uns dann Montag. Du brauchst nicht in aller Frühe herzukommen, schlaf ruhig aus.« Barbie zögerte und fügte dann hinzu: »Mach dir keine Sorgen, Ruby. Du bist gut in deinem Beruf, und du hast den jungen, modischen Look, der bei den trendigen Salons gefragt ist. Du kommst schon klar.« Damit eilte sie zu dem wartenden Auto.
Ruby stand wie angewurzelt auf dem Bürgersteig und starrte ihr nach. Einige Passanten musterten neugierig die schlanke, attraktive junge Frau mit den kurzen, fast schwarzen Haaren und dem üppigen Pony, der so groß in Mode war. Sie hatte wunderschöne tiefblaue, schwarz umrandete Augen, die jetzt allerdings in Tränen schwammen.
Als der Wagen der McKenzies sich in den dichten Samstagsverkehr einfädelte, fielen die ersten Regentropfen.
Der Himmel schien mit Ruby zu trauern.
3
Es regnete zum Glück nur leicht, als Ruby sich niedergeschlagen auf den Heimweg machte. Sie wusste nicht, was ihr größere Sorgen bereitete – dass sie ihre Stelle verloren hatte oder dass Gavin sie möglicherweise mit Chrissie Williams betrog. Sie hatten Anfang nächsten Jahres heiraten wollen, deshalb konnte sie nicht glauben, dass er so etwas tun würde. Hätte er nicht der Versuchung widerstehen müssen, wenn er sie so sehr liebte, wie er immer behauptete?
Bis zu der Wohnung, die Ruby und ihre Mutter sich teilten, waren es zu Fuß nur fünfzehn Minuten. Gavin wohnte ein Stück weiter weg. Ruby sah stirnrunzelnd zu den dunklen Regenwolken hinauf. Konnte sie es riskieren, zu Gavin zu gehen, oder würde sie bis auf die Haut nass werden? Eigentlich hatte sie keine Wahl, wenn sie die Wahrheit herausfinden wollte, und das musste sie unbedingt. Sie würde seine Nachbarn ausfragen. In seinem Wohnblock wohnten viele Frauen, und sie hoffte, sie erzählten es ihr aus weiblicher Solidarität, wenn sie ihn mit einer anderen gesehen hatten.
Es war kurz vor eins, als Ruby Gavins Haus erreichte. Falls er tatsächlich arbeiten gegangen war, wie er behauptet hatte, würde er vielleicht noch nicht zurück sein. Die drei hufeisenförmig angeordneten Wohnblöcke umschlossen eine Grünfläche mit einem kleinen Kinderspielplatz, zwei Bänken sowie ein paar Bäumen und Sträuchern. Trotz des Regens hatten sich einige wenige Mütter eingefunden, die ihren Kindern beim Schaukeln und Spielen auf der Rutsche zusahen. Ruby kannte eine von ihnen, weil sie schon im Salon gewesen war. Sie hieß Diane Medlow und hatte zwei kleine Kinder – einen Jungen, der gerade laufen lernte, und ein dreijähriges Mädchen. Dora saß auf der Schaukel, und Ruby, die ihr schon einmal die Haare geschnitten hatte, ging zu ihr, schubste sie an und sprach mit ihr.
»Hallo, Ruby«, rief Diane ihr zu. »Möchten Sie zu Gavin?«
Ruby nickte. »Ja.« Sie ging zu Diane hinüber, die auf einer Bank saß. »Wissen Sie zufällig, ob er zu Hause ist? Haben Sie ihn heute schon gesehen? Oder irgendwann in den letzten Tagen?«
»Nein.« Diane schüttelte den Kopf. »Aber wir waren auch viel drinnen, weil Dora und Geoffrey die Masern hatten.«
Ruby machte ein enttäuschtes Gesicht. Sie sah nacheinander die anderen jungen Mütter an, ob sie eine von ihnen zufällig kannte.
Diane folgte ihrem Blick. »Kelly ist vor ein paar Monaten in eine Wohnung auf dem gleichen Stock wie Gavin gezogen, zwei Türen nebenan. Sie lebt allein mit ihrem Kind. Vielleicht hat sie ihn ja gesehen.« Sie wandte sich der jungen Frau zu, die mit ihrem krabbelnden Baby auf einer Decke im Gras saß. »Hey, Kelly, hast du Gavin heute schon gesehen?«
»Gavin?« Kellys Blick huschte von Diane zu Ruby. »Ja, ich glaube, er ist zu Hause«, antwortete
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