Im Heimlichen Grund
Steinschlags ansichtig wurde, wo sie eine große Schlafgrube, den Kessel, bezogen hatten. Er brachte den halben Tag damit zu, dem weiterziehenden Rudel nachzuspüren. Von der anfangs gehegten Absicht, mit Pfeil oder Speer einen Frischling zu erlegen, kam er ab, da er die Bacheund nicht minder einen abseits vom Rudel wühlenden Keiler fürchtete. Er suchte nach etwas Wuchtigem, das sich schleudern ließe, um das junge Tier aus sicherer Entfernung durch einen einzigen Wurf zu töten. Endlich fand er einen armlangen Wipfelstummel mit einer mehr als faustgroßen Wucherung, eine natürliche Keule. Behutsam nahm er sie auf und schlich, von Baum zu Baum Deckung suchend, dem Schwarzwild nach. Erst als er sich dem Waldrand näherte, wo das Rauschen des Moorbachfalles das Knacken der Reiser unter seinen Füßen übertönte, wurde er kühner. Da merkte er, daß einer der Frischlinge hinter den anderen zurückgeblieben war und zwischen zwei toten, von hohen Farnen überwucherten Baumriesen im feuchten Grunde wühlte. Über den weichen Moderboden hin gelang es Peter, lautlos näherzuschleichen; dann duckte er sich unter die Farne und schlug den Frischling gerade in dem Augenblick mit seiner Keule zu Boden, als der Kleine sichernd den Kopf hob. Lautlos war das Jungtier zusammengebrochen. Mit klopfendem Herzen hob Peter es auf, blieb aber, die Keule in der Rechten, hocken, jeden Augenblick bereit, sich zur Wehr zu setzen. Nichts regte sich, nur das gleichmäßige Rauschen des Moorbachfalles war zu hören.
Vorsichtig erhob er sich und lugte aus. Ihm schien, als sei die Alte unruhig geworden und suche ihr Junges. Er schnellte empor und jagte mit seiner Beute zurück. Ohne umzuschauen, stürmte er weiter, über tote Bäume, durch Morast und Ried, der Stelle zu, woher der Wind ihm den Rauch entgegentrug. Atemlos langte er bei Eva an. Die Freude, mit der sie die Beute entgegennahm, schien ihm ein wenig lau. Als sie ihn bat, ihr einen Dorn aus der Fußsohle zu ziehen, begriff er, warum sie nicht zum Jubeln aufgelegtwar. Obwohl er den nur leicht eingedrungenen Dorn entfernt hatte, konnte Eva vor Schmerzen kaum auftreten. Erst als er zerkaute Beinwellblätter auf die Wunde gelegt und den Fuß mit großen Huflattichblättern und grünen Rindenstreifen verbunden hatte, konnte sie humpelnd weitergehen. Und nun kehrte auch ihre gute Laune zurück. Wohlgefällig streichelte sie das noch weiche Borstenkleid des Frischlings, an dessen rötlicher und gelber Längsstreifung sie sich nicht sattsehen konnte. Dann zeigte sie stolz, was sie gesammelt hatte. Ihr und Peters Korb, beide waren beinahe voll brauner Kastanien, aber auch Bucheckern, Mispeln und einige Wildäpfel waren darunter. Neben den Körben lagen große Sträuße von Mehl- und Eisbeeren, zwei Büschel Steinquendel und Lauchzwiebeln, die Eva am Waldrande ausgegraben hatte.
Langsam legten sie mit ihren Lasten den Heimweg zurück. Durch den Wald wagten sie sich nicht. Sie mußten einen Umweg machen. Als sie aus dem Laubwald auf das Steinfeld hinaustraten, ging die Sonne gerade hinter der Henne unter, umgeben von rotgolden gesäumten Wolken, in deren Widerschein der Sonnstein leuchtete, während die Firne hoch über den Salzwänden in feierlichem Alpenglühen erstrahlten.
Glücklich saßen sie am Höhlenfeuer und atmeten denköstlichen Duft des bratenden Frischlings ein, der an einem grünen Stab von beiden abwechselnd über der Glut gedreht wurde. Und als das Fett herabtroff und im Feuer ungenützt verprasselte, beeilte sich Eva, eine der gereinigten, längst geruchlos gewordenen Rehschädelschalen darunter zu halten, in deren Nasenhöhle sie einen Stab gesteckt hatte. Dieser »Schöpflöffel« fing den Saft auf, der, mit Wasser versetzt, eine warme, schmackhafte Suppe ergab.
Am Rande des Feuers hüpften und knisterten die Kastanien; die Schmausenden malten sich aus, wie behaglich sie den Winter verbringen wollten: geschützt vor Kälte, mit reichen Vorräten an Kastanien, Rauchfleisch, Salz und Gewürz versehen. So mochte er denn kommen, der harte, lange Bergwinter!
Als am nächsten Morgen ein heftiger Herbststurm den Regen gegen die Außenwand ihrer Höhle peitschte, schliefen die Sorglosen lange in den Tag hinein. Eva war als erste wach. In ihrem verletzten Fuß brannte und klopfte es. Sie stand auf, nahm eine Handvoll Werg vom Bergflachs, tauchte ihn in das Wasser, das noch vom Vortag im Wasserkorb war, und begann den Fuß zu kühlen.
Peter, der endlich auch aufstand, holte einen
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