Im Heimlichen Grund
worden wäre. Wie hatte er nur die Fichte außer acht lassen können! Wenn ihm etwas geschehen wäre! Wenn Eva allein zurückbleiben müßte, könnte sie ohne ihn leben? Peter beschloß, in Zukunft besser aufzupassen, umsichtiger zu werden. Aber schon im nächsten Augenblick begann er, seine Schlittenkufen von allem störenden Ast- und Wurzelwerk freizumachen. Querstäbe band er unten in den Winkeln an den nach oben ragenden Ästen fest; diese sollten als Seitenstützen stehenbleiben. Es kam ein schmaler, aber brauchbarer Schlitten zustande. Als Peter seine Ausbeute an Stäben der Länge nach an den Querstangen festgemacht hatte und den Schlitten zu ziehen versuchte, fand er die Last so leicht, daß er von der zerbrochenen Fichte eine ansehnliche Tracht Brennholz dazupackte. Als letztes verstaute er das Fell, den Bockschädel, und obenauf kam der Feuerkorb. Seinen Jagdspeer und den Bogen steckte er zwischen die Hölzer, er selbst stellte sich zwischen die steil aufgebogenen Schlittenkufen.
Wie leicht die Bürde über den Schnee glitt! Nur wo die Holzladung für den Erntepfad zu breit war, spießte sich die Fracht am Gesträuch; aber einige Axthiebe halfen durch. Peter nahm sich vor, den Erntepfad breiter zu bahnen und seine Unebenheiten auszugleichen. Aus dem Pfad mußte ein Fahrweg werden. Schon war die Dämmerung hereingebrochen, als er sich mit seiner Fuhre den hellerleuchteten Wohnhöhlen näherte. Blauer, duftender Holzrauch strich zu ihm herüber.
Peter dampfte vor Anstrengung, als er beim Steigbaum anlangte. Vor dem lodernden Herdfeuer streckte er sich der Länge nach auf den Lehmboden und ließ sich von Eva füttern. Sie reichte ihm erst gebratene Kastanien, dann eine Mergelplatte voll Frischlingsbraten und Preiselbeeren. Mit vollen Backen kauend, erzählte der Heimgekehrte von seinenErlebnissen und Plänen, wie er erlegtes Wild, Ernteertrag und Brennholz heimbringen wollte.
Am nächsten Tag begann Peter mit dem Bau eines Schutzwalls am Eingang der unteren Höhle; er verstopfte auch die beiden Seitengänge, um die kalte Außenluft abzuhalten. Eva, die gerade das Essen zubereitete, freute sich, daß die Höhle nun viel besser durchwärmt wurde. Der Rauch stieg ruhiger zur Decke auf, wo er sich im Gestänge des Trockenbodens staute, ehe er durch das Loch ins Freie entwich.
*
Peter war von seiner Arbeit so in Anspruch genommen, daß Eva sich der Rehdecke annehmen mußte, die auf dem nassen Boden neben dem Schlitten lag. Die Haut zu reinigen und im Bocksgraben bei dem bereits eingelagerten Fell unter Laub und Steinen zu vergraben, war keine appetitliche Arbeit. Sie tat sie aber und entdeckte dabei, daß die früher eingelagerte Haut nicht faulig roch, sondern vom durchnäßten Laub einen herben, nicht unangenehmen Geruch angenommen hatte. Die Haare lösten sich vom aufgequollenen Leder. Eva fröstelte. Beim Arbeiten in der Nässe waren die Murmeltierfelle ihrer Schuhe feucht geworden. Heimgekommen, zog sie sich in ihre Kammer zurück und vergrub sich förmlich im Laub und Moos ihres Lagers.
Kaum hatte sie sich einigermaßen erwärmt, so stopfte sie ihr aufgeweichtes Schuhwerk mit dürrem Moos aus, damit es beim Trocknen nicht einschrumpfe. Dabei stellte sie fest, daß die Sohlen an einigen Stellen durchgerieben waren, während die eingelegte Birkenrinde widerstanden hatte. Also war Birkenrinde zäher. Eva überlegte und beschloß, zur Verstärkung des weichen Leders auf jede Sohle zwei Rindenstücke zu nähen. Das Vorbohren der Nählöcher an den Sohlenrändern mit einem spitzigen Knochensplitterwar eine Heidenarbeit und machte sie so ungeduldig, daß sie die Löcher daumenbreit voneinander entfernt anbrachte, nur um schneller fertig zu werden. Als sie daran ging, die trockengewordenen Schuhe mit den neuen Sohlen zu benähen, war sie mit ihrer Kunst am Ende. Was sie auch versuchte, es gelang ihr nicht, die Nadel mit der Darmsaite dort durchzuführen, wo sie es beabsichtigte. Sie mußte die Schuhe auf der Ristseite schlitzen. Aber die Häute waren so mürbe, daß sie keinen Stich hielten. Eva war den Tränen nahe und warf die Arbeit entmutigt beiseite. Dann dachte sie nach und fand einen Ausweg. Sie holte aus dem Bocksgraben eines der eingelegten Rehfelle, reinigte es, schnitt zwei große Lappen heraus und nähte sie so feucht, wie sie waren, zwischen den äußeren und inneren Rindensohlen fest, stellte dann den einen Fuß auf ein inneres Sohlenblatt und faltete über dem Rist die Lappenenden empor,
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