Im Herzen der Feuersonne
hat nichts mit trotzigem Verhalten zu tun, wie du anzunehmen
scheinst.« Und als er nicht gleich antwortete, sondern nur noch stärker an
seiner Zigarre zog, fügte sie hinzu: »Geh doch hoch und sieh sie dir an! Schau
genau hin und mach dir klar, was aus deiner schönen Tochter geworden ist: ein
unglückliches, krankes, verzweifeltes Menschenkind, dem jeder Lebenswillen
fehlt!«
»Du übertreibst.« Willem sah demonstrativ aus dem
Fenster. DrauÃen war es kühl und regnerisch, der Wind bog die Zweige der
Mimosenbäume, die vor dem Arbeitszimmer standen, tief zum Boden. Und auch die
Bougainvilleen, die er vor vier Jahren hier hatte anpflanzen lassen, wurden vom
Sturm zerzaust, die brombeerfarbenen Blüten rieselten zur Erde wie groÃe
Flocken.
»Ganz wie du meinst.« Helene raffte ihren Rock
und ging mit hoch erhobenem Kopf hinaus. Sie zürnte Willem, der nur seine
Meinung gelten lieÃ. Hatte er denn ganz vergessen, dass Liebe viel mehr wert war
als Reichtum und gesellschaftliche Anerkennung?
Bis zum späten Abend bemühte sie sich,
gemeinsam mit Mirja und Zita, um die Nichte, doch diese wurde von Stunde zu
Stunde elender. Das Fieber stieg, sie halluzinierte.
»Lass den Arzt holen«, befahl Helene
Kreuvert.
»Jawohl, mijn vrouw !«
Zita raffte die schwarzen Röcke und stob davon. Es dauerte nur eine knappe halbe
Stunde, dann kam sie mit dem Arzt zurück.
Dr. Emmerich, grauhaarig, klein und dürr, lebte
seit über dreiÃig Jahren am Kap. Er war als einer der ersten Deutschen
hierhergekommen und hatte eine Holländerin geheiratet, die vor zwei Jahren
gestorben war. Seit langem schon war er der Hausarzt der de Havelbeers, kannte
Charlotte seit ihren Kindertagen. Als er ihr Schlafzimmer betrat und einen Blick
auf sie warf, runzelte er die Stirn.
»Warum habt Ihr mich nicht eher gerufen?«, fragte
er Helene, nachdem er ihr zur BegrüÃung nur kurz zugenickt hatte. »Das Kind
sieht ja schrecklich aus!«
»Ach, Herr Doktor â¦Â« Helene seufzte gepresst auf.
»Das ist eine zu lange Geschichte, um sie jetzt zu erzählen. Bitte, schaut Euch
Charlotte an und helft ihr. Ich ⦠ich habe Angst um das Mädchen.«
Dr. Emmerich öffnete seine Tasche und nahm eine
erste Untersuchung vor. Er fühlte Charlotte den Puls, maà das Fieber, horchte
ihr Herz und ihre Lunge ab. Seufzend richtete er sich dann auf. »Vor einigen
Jahren noch hätte man sie zur Ader gelassen â wie immer, wenn man nicht
weiterwusste. Und ich gestehe, dass ich nicht weiÃ, woher dieses Fieber rührt.
Ist etwas Besonderes geschehen?« Fragend sah er Helene Kreuvert an, während Zita
die Kranke wieder behutsam zudeckte. Charlotte schien von der Untersuchung gar
nichts wahrgenommen zu haben. Sie stöhnte hin und wieder auf, murmelte auch
zweimal Bens Namen.
»Nach wem ruft sie?«, wollte der Arzt wissen.
Helene biss sich kurz auf die Lippen. »Nach dem
Mann, den sie liebt«, erwiderte sie dann.
»Und â warum holt man ihn nicht her? Seine
Anwesenheit könnte sie beruhigen. Das ist doch keine simple Erkältung, das muss
auch ein Laie erkennen. Der Seelenkummer beeinflusst ihre körperliche Erkrankung
stark«, fügte er leiser hinzu.
Helene seufzte tief auf. »Charlotte ist
unglücklich, weil mein Bruder mit der Wahl ihres Zukünftigen nicht einverstanden
ist«, erwiderte sie dann offen. »Bitte, Dr. Emmerich, tut, was in Eurer Macht
steht. Ich mache mir solche Sorgen!«
»Ich lasse Euch zwei Ampullen einer Medizin da,
die das Fieber bekämpfen wird. Auch ein Schlafpulver solltet Ihr der Kranken
geben, denn der Körper braucht Ruhe.« Der Arzt zuckte mit den schmalen
Schultern. »Mehr kann ich nicht tun. Aber Charlotte ist jung, sie wird das
Fieber rasch besiegen, glaubt mir.«
In der Nacht verschlechterte sich Charlottes
Zustand jedoch. Sie warf sich in den Kissen hin und her, schrie und
wimmerte.
Willem de Havelbeer kam zweimal kurz in den Raum,
sah stirnrunzelnd auf seine Tochter und murmelte: »Der Arzt ist ein Quacksalber.
Morgen lasse ich einen jüngeren Mediziner kommen. Da gibt es einen Engländer,
der versteht sicher mehr von seiner Arbeit als der alte Emmerich.«
»Wenn hier einer etwas nicht versteht, dann bist
du das«, sagte Helene barsch. »Sie ist krank vor Kummer. Nur deshalb geht es ihr
so schlecht.«
»Unfug. Weibergeschwätz!« Willem drehte sich
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